Übersetzungen

von Otto und Eva Schönberger

Nachwort


Epigramme sind „Aufschriften“ auf Gebrauchsgegenständen, Geschenken, Gräbern, Denkmälern, anfangs wohl in Prosa, bald häufig in Versen. So hielten es die Griechen, die diese Art besonders pflegten und die Themen und Stoffe immer weiter vermehrten. Literarische Epigramme behandelten im Lauf der Zeit geradezu das ganze Welt- und Menschenleben. In der sog. Griechischen Anthologie sind tausende Epigramme aller Art versammelt.

Eine bedeutende Gattung bildeten Grab-Epigramme, die Eigenschaften und Taten Verstorbener und die Empfindungen der Nachlebenden vorführten. Verwandt sind Ehren-Gedichte, aber auch Epigramme auf Abbildungen bedeutender Menschen. Hinzu kamen Gedichte auf Statuen und Kunstwerke, die großen Persönlichkeiten galten. Am Ende der Antike (5./6. Jhdt.) bot Christodoros von Koptos eine Beschreibung von 80 Statuen in einem Gymnasion von Konstantinopel in Epigrammen.

Die Römer übernahmen (oder hatten bereits) solche Formen, besonders in den sog. Sepulcralreden (laudationes funebres) bei Bestattungen großer Männer. Solche Elogien fanden in poetischen Grabschriften ihren zusammengefaßten Niederschlag, etwa in den Scipioneninschriften oder sogar im Bildnisepigramm des Ennius, wo der Dichter von sich selbst spricht.

Ihren Höhepunkt erreichte die Gattung poetischer Inschriften auf Personen bei M. Terentius Varro (116 – 27 v. Chr.), der ein historisches Bilderbuch verfaßte, in dem er 700 Bilder bedeutender Griechen und Römer, jedes mit einem Epigramm, gegenüberstellte (hominum septingentorum inlustrium … imagines, Plin., Nat. Hist. 35, 11); vgl. die Viten des Cornelius Nepos und die griechisch-römischen Parallelbiographien Plutarchs. Übrigens gab Varro den römischen Feldherrn, die einen Triumph feierten, eine bevorzugte Stelle in seinem Werk.

Vergil hat dies übernommen, denn in seiner „Heldenschau“ im 6. Buch der Aeneis stehen die Triumphatoren im Mittelpunkt (765 ff.). Dies wirkt in unserem Büchlein nach, das vielfach Feldherren mit Triumphen und besonders solche mit spolia opima vorführt. Auch Kaiser Augustus schuf eine Heldengalerie in den Nischen seines Forums am Tempel des Mars Ultor, wobei ebenfalls Elogien beigegeben waren.

In dieser Tradition steht unser Verfasser. Offenbar gilt ihm Rom als große Heimstatt vieler politischen Taten und Werke. Seine Büstengalerie bildet einen nationalen Tempel, wobei Vergils Heldenschau im ganzen und im einzelnen Vorbild ist. Ob die besprochenen Bilder wirklich existierten, ist schwer zu sagen. Immerhin nennt der Dichter kleine Einzelzüge, z. B. torvus fronte verenda bei Fabius Maximus.

Die Reihe der großen Männer beginnt mit Romulus und endet mit Traianus (wenn alles erhalten ist). Dabei ist die Auswahl subjektiv, denn es fehlen Gestalten wie die Gracchen oder Cicero. Weitgehend sind große Kämpfer, Politiker, Feldherrn geschildert, und die Vorrede nennt dieses Auswahlprinzip deutlich (Vers 3): Römer, die in Krieg und Frieden höchste Leistungen vollbrachten.

Wann das kleine Werk entstand, ist schwer zu sagen; jedenfalls ist es nach Traianus verfaßt. Vielleicht darf man an das 4. Jahrhundert n. Chr. denken, wo man – gegenüber dem Christentum – noch einmal die Rom-Idee als Inbegriff römischer Macht hervorhob, wie es etwa Symmachus versuchte. Der Verfasser ist zwar kein großer Dichter, doch ist er ein gut unterrichteter (Schul-?)Mann, der Livius, Vergil, Val. Maximus, Lucan und wohl manche anderen Autoren gut kennt, wobei Vergil sein besonderes Vorbild ist.

Die Epigramme sind formal gut gestaltet. Sie bestehen immer aus 6 Versen, wobei das Ganze häufig in dreimal zwei sachlich eng zusammenhängende Stücke aufgeteilt ist. Kaum anzunehmen ist, daß nicht Büsten beschrieben werden, sondern Gemälde in sog. kontinuierenden Stil.

Der Autor will lebendig schreiben, spricht den Besucher mit „Hier ist…“ an, sagt, sagt „Seht“, redet die Vorgestellten an (10,5 ausus es) oder läßt die Männer sich und ihre Taten selbst vorstellen (Scipio, Marius). Ob die Überschrift De viris inlustribus vom Verfasser stammt, ist nicht zu entscheiden, auch nicht, ob nur ein Auszug aus einem größeren Werk vorliegt (nicht sehr wahrscheinlich). Daß Tiberius nicht vollständig ist, könnte von einer Tilgung nicht recht lobender Verse stammen (wegen seiner Exzesse).

Zwei der drei Handschriften geben den Gesamttext in etwa gleicher Reihenfolge (V, A), während die dritte davon abweicht (G). Die erste Ausgabe stammt vom A. Mai, Classicorum auctorum e Vaticanis codicibus edit. Coll., III, 359 – 364 (Handschrift V). Wir benützen die Poetae Latini minores, rec.et emend. Aemilius Baehrens, Vol. V., Leipzig 1883, 396 – 401. Baehrens vermutet, daß es sich um einen <spät->antiken Text handelt. Der Echtheitsbeweis steht freilich aus.

Auch der Humanist Francesco da Fiano ging von solcher Echtheit aus, denn auf seine Veranlassung wurden in Foligno um das Jahr 1411 in einer Sala di Giganti (o degli imperatori) nach unseren Epigrammen 20 Bilder erstellt, von denen 15 heute noch sichtbar sind. Am Eingang zu diesem Bildersaal stehen Verse, die auf das Einleitungsepigramm (Nr. 1) zurückgehen. Eine Renaissance der antiken Ruhmeshalle.