Übersetzungen

von Otto und Eva Schönberger

Polemon: Lehrbuch der Physiognomik


das heißt: Lehrbuch für das Erkennen von Wesensanlagen aus körperlichen Anzeichen; es umfaßt siebzig Kapitel.

Kapitel I. Über Wesensdeutung aus Zeichen an den Augen.

Kapitel II. Hier erwähnt <Polemon> die Ähnlichkeiten zwischen Menschen und anderen Lebewesen, den Vierfüßlern, den Vögeln und weiteren, die auf der Erde kriechen. Bei <allen> diesen muß man auch zwischen männlich und weiblich unterscheiden. Man sehe kaum jemand, der nicht einem Tier ähnelt; auch zeigten sich Eigenschaften <eines Tieres> am Menschen in ähnlicher Weise wie beim Tier, und so müsse man solche Wesenszeichen beim Menschen erkennen.

Kapitel III. Wesensdeutung aus Merkmalen der <Finger->Nägel.

Kapitel IV. Physiognomik auf Grund von Merkmalen der Finger.

Kapitel V. Physiognomik nach Zeichen an den Füßen.

Kapitel VI. Über den Bereich zwischen Knöcheln und Fersen.

Kapitel VII. Deutung von Merkmalen an den <Unter->Schenkeln.

Kapitel VIII. Deutung von Zeichen an den Knien.

Kapitel IX. Physiognomik der Zeichen an Lenden und Oberschenkeln. (100)

Kapitel X. Deutung der Zeichen an den Hüften.

Kapitel XI. Deutung von Zeichen am Rücken.

Kapitel XII. Krümmung des Rückens und ihre Bedeutung.

Kapitel XIII. Die Rippen und ihre Zeichen.

Kapitel XIV. Physiognomik von Zeichen am Bauch.

Kapitel XV. Zeichen am Bereich zwischen Nabel und Beginn der Brust.

Kapitel XVI. Physiognomik für Zeichen an der Brust

Kapitel XVII. Deutung von Zeichen am Busen.

Kapitel XVIII. Vom Bereich zwischen Schultern und Schlüsselbeinen und dessen Zeichen.

Kapitel XIX. Deutung von Zeichen am Bereich zwischen Kehle und Beginn der Brust.

Kapitel XX. Physiognomik auf Grund von Merkmalen an den Schulterblättern.

Kapitel XXI. Deutung von Zeichen an Ober- und Unterarmen.

Kapitel XXII. Wesensdeutung nach Zeichen an den Händen.

Kapitel XXIII. Deutung von Zeichen am Hals.

Kapitel XXIV. Das Kinn und seine Zeichen.

Kapitel XXV. Zeichen an Mund und Lippen.

Kapitel XXVI. Physiognomik der Nase. (102)

Kapitel XXVII. Deutung von Zeichen am Bereich zwischen den Augen.

Kapitel XXVIII. Physiognomik anhand von Zeichen an Gesicht und Stirn.

Kapitel XXIX. Die Ohren und ihre Zeichen.

Kapitel XXX. Deutung von Merkmalen am Haupt.

Kapitel XXXI. Erwähnenswerte Völker der Welt.

Kapitel XXXII. Deutende Beschreibung der Gestalt von Nordvölkern.

Kapitel XXXIII. Deutende Beschreibung der Gestalt von Südvölkern.

Kapitel XXXIV. Deutende Beschreibung der Gestalt östlicher und westlicher Völker.

Kapitel XXXV. Nun wird das reine Griechenvolk beschrieben.

Kapitel XXXVI. Erklärung der Farbe des gesamten Körpers.

Kapitel XXXVII. Deutung von Farbe und Zeichen der Brust.

Kapitel XXXVIII. Erläuterung von Farbe und Zeichen des Gesichts.

Kapitel XXXIX. Über die Augenfarbe und manches zuvor noch nicht Erläutertes.

Kapitel XL. Physiognomikk nach Zeichen der Haarfarbe.

Kapitel XLI. Verschiedene Haarfarben und ihreihre Bedeutung.

Kapitel XLII. Über reichlichen Haarwuchs an den Schenkeln und seine Bedeutung.

Kapitel XLIII. Haarwuchs an Lenden und Oberschenkeln und seine Bedeutung. (104)

Kapitel XLIV. Haarwuchs an Brust und Bauch und seine Bedeutung.

Kapitel XLV. Haarwuchs an den Schulterblättern und dem Raum zwischen ihnen.

Kapitel XLVI. Erläuterung starker Körperbehaarung und ihrer Zeichen.

Kapitel XLVII. Reichlicher Haarwuchs vom Hals bis zum Haupt.

Kapitel XLVIII. Augenbrauenhaare und ihre Bedeutung.

Kapitel XLIX. Was die Bewegung einzelner Körperglieder anzeigt.

Kapitel L. Von Deutung der Zeichen bei Bewegung und Gang.

Kapitel LI. Physiognomik der Atmung.

Kapitel LII. Physiognomik der Stimme.

Kapitel LIII. Deutung der Körpergestalt eines kühnen, kraftvollen Mannes.

Kapitel LIV. Deutung der Körpergestalt eines ängstlichen Mannes.

Kapitel LV. Anzeichen eines Freundes der Literatur und Philosophie.

Kapitel LVI. Anzeichen eines Mannes ohne Eifer und Wißbegier.

Kapitel LVII. Zeichen eines Unverschämten.

Kapitel LVIII. Zeichen eines Mann, der Schmuck und Putz liebt.

Kapitel LIX. Zeichen eines klugen und scharfsinnigen Mannes. (106)

Kapitel LX. Zeichen eines tieftraurigen und betrübten Mannes.

Kapitel LXI. Zeichen eines verweichlichten, weibischen Mannes.

Kapitel LXII. Zeichen eines bescheidenen Mannes.

Kapitel LXIII. Zeichen eines hämischen Spötters.

Kapitel LXIV. Zeichen eines höchst geldgierigen Menschen.

Kapitel LXV. Zeichen eines boshaften, beschränkten Mannes.

Kapitel LXVI. Zeichen eines verbitterten Mannes.

Kapitel LXVII. Zeichen eines Mannes, dessen Lebensende ohne sichtbare Krankheit nahte.

Kapitel LXVIII. Zeichen eines Mannes, den überraschend Unheil und Elend überkamen.

Kapitel LXIX. Anzeichen bei Frauen, die jedem beliebigen Fremden zugetan sind.

Kapitel LXX. Zeichen eines Mannes, der den tief Unglücklichen spielt, bevor ihn überhaupt ein Unheil traf.

 

Kapitel I. Wesensdeutung durch Zeichen an den Augen.

<Der Hauptteil> der physiognomischen Wissenschaft beruht auf Zeichen an den Augen. Deren Erklärung ist wichtiger als die Erklärung der sonstigen Körperteile. (108) Wenn man leuchtende, helle Augen sieht, dann ist es ein gutes Zeichen, weisen sie doch auf die Rechtschaffenheit ihres Besitzers hin. Solche Menschen sind meist Knaben. Siehst du ein großes Auge mit einer weiten Pupille, dann magst du seinem Besitzer Dummheit und fehlende Einsicht zuschreiben. Ein kleines Auge zeigt schlechte Art, ein Fehlen von … und großen Hang zu Betrug. Hat nämlich einer ein kleines Auge, weist dies auf vielfache Hinterlist, gleicht doch ein solches Auge dem einer gewissen Tierart, nämlich von Schlangen, Affen, Füchsen und ähnlichen Tieren. Leuten jedoch mit großen, runden Augen kann man Einfalt, Sanftmut, Unschuld zuschreiben, wie sie Rinder, Esel, Schafe und ähnliche Tiere haben.

Wenn du aber eine Pupille und auch das Schwarze in ihr im Vergleich mit dem Auge und seinem Umfang allzu groß findest, dann schreibe dem Besitzer schlimmes Handeln zu. Ist aber bei jemand die Pupille dem Auge angemessen, bescheinige ihm Zuverlässigkeit und Rechtschaffenheit. Siehst du jedoch, daß die Pupille (nämlich das Schwarze im Auge) nach allen Seiten schweift und daß ihr Besitzer zugleich von Trauer und Kummer befallen ist, wobei in den Augen Schwärze wie die einer Wolke erscheint oder Dunkel oder Blässe, die Augen selbst aber flattern und sehr unruhig sind, und wenn einer (110) all dies in seiner Person zeigt, dann wisse, daß diesen bereits ein frecher, jähzorniger, rachsüchtiger Dämon ergriffen hat, der ihm Versuchungen auf den Hals schickt, selbst wenn er sie noch so flieht. Rollen aber die Augen ständig, dann hat ihr Besitzer eine Untat begangen, etwa Mord an Verwandten, oder er hat eine Freveltat verübt, wie sie der höchste Gott tief verabscheut, z.B. etwa die Tat des Pelops-Sohnes, der, wie sich herausstellte, <das Fleisch seines> Sohnes aß, oder er handelte wie Oidipus, Sohn des Laios, der, wie es heißt, mit seiner Mutter fleischlich verkehrte.

Vor jedem, der ein solches Zeichen trägt, mußt du dich hüten. Die Beschreibung trifft auch auf die Bewohner der Provinz Thrakien zu, die zum Reich Konstantinopel gehört. Deren Augen rollen und schweifen, und sie sind als Übeltäter bekannt; zwar werden sie von der Ausführung ihrer Verbrechen durch heftige Furcht und Angst abgehalten, sinnen aber stets   auf Übeltaten. Man muß aber wissen, daß das Herz, aus dem die Strebungen der Seele erwachsen und insgeheim dort entstehen, der Sitz des Denkens ist. In gleicher Weise vertritt  das Auge das Herz, da auch im Auge Streben und Gedanken Unruhe stiften und die Sorgen der Seele Ausdruck finden. Siehst du ruhige, unbewegte Augen, die im Gesicht sozusagen festsitzen, dann mußt du wissen, daß du einen grimmig hassenden und feindseligen Menschen vor dir hast. Ein feuchtes Auge weist auf Ängstlichkeit. Ein trockenes Auge zeigt Beschränktheit an. Ein blasses Auge, das auch um die Pupille herum blaß ist, deutet auf Dummheit sowie Tollheit im Denken, Schäden im Hirn (112) und geistige Verwirrung. Zeigen sich die Augenbrauen hochgezogen und spricht dich der Besitzer an, wobei er großspurig daherredet, dann wisse, daß er im Verdacht schlimmer Absicht steht und Übles im Sinn hat. Traue ihm daher Verrat und Wortbruch zu. Stehen die Augen starr und rot in ihren Höhlen, vermute bei ihrem Besitzer Ehebruch und Hang zur Trägheit. Wenn dazu die Wimpern am Oberlid fehlen und auch am Unterlid ausgefallen sind, dann verweist dies auf Schamlosigkeit und große Arglist.

Sind die Augen aber klein und starr, muß man ihrem Besitzer Habsucht, Raffgier, filziges Wesen und Knauserei gegen sich selbst zuschreiben. Verbindet sich damit aber ein Zusammenziehen von Stirn und Augenbrauen, vermute bei ihm Betrug und Hinterlist. Wenn er dann mit diesen Zeichen noch andere, bestätigende Zeichen an seinem Leib verbindet, dann schreibe ihm lautes Geschrei und Jähzorn zu. Siehst du blaue, unbewegliche Augen, so hält sich der Besitzer den Menschen fern, meidet seine Nachbarn und ist sehr geldgierig; diesen meide mit aller Vorsicht, selbst wenn er blutsverwandt ist, mache keine Reise mit ihm und nimm keinen Rat von ihm an. Denn mit all seiner Aufmerksamkeit freut er sich am Bösen und am Schaden, den seine Gefährten nehmen. Ich habe nicht einmal alles angeführt, was in ihm steckt, weil ich nicht zu breit werden wollte. (114)

Wenn einer kleine, feststehende, winzige Augen hat und du zugleich siehst, daß sie feucht sind, und wenn du eine glatte Stirn ohne Runzeln siehst und häufiges Blinzeln, dann mußt du wissen, daß es sich um einen beflissenen Literaten und Geschichtsforscher handelt. Sieht man aber ein festes Auge, dann ist allein diese Eigenschaft löblich unter Ausschluß aller ähnlichen Zeichen. Augen nämlich, die unruhig sind, weisen auf Verwirrung, schändliches Mißtrauen, Unredlichkeit und unentschiedenes Schwanken zwischen Feigheit und Kühnheit.  

Siehst du aber an Augen, daß die Lider und das Auge selbst ruhelos sind, dann schreibe dem Besitzer Ängstlichkeit zu; siehst du aber, daß die Augen allein unruhig sind, dann wisse, daß der Besitzer kühn ist und ein starkes Herz hat, so daß ihn vieles, was Menschen erschreckt, nicht in Furcht versetzt. Wisse auch, daß Leute mit unbewegten Augen faul und träge sind; dieses Zeichen erscheint häufig bei unehelichen Kindern, und oft sind solche begriffsstutzig und können nicht lesen und schreiben. Einer aber, dessen Augen weder träge noch allzu beweglich sind, hält im ganzen Verhalten die Mitte zwischen beidem. Ein Auge jedoch, das ruhelos nach allen Seiten umherschweift, verrät Neigung zu Ehebruch und allerhand Schändlichkeiten. Bei einem Auge, das zuckt und zittert und außerdem groß ist, muß man dem Besitzer Faulheit, Trägheit, Schlagfluß, Unzucht und (116) Trunksucht zuschreiben.

Hat einer jedoch kleine, blaue Augen, die zittern, dann schließe bei ihm auf Unverschämtheit, Habsucht, Vorteilsnahme durch Verbotenes und mangelnde Zuverlässigkeit. Was nur immer er zusammengerafft hat, das gibt er für unerlaubte und keinesfalls löbliche Geschäfte aus. Du mußt aber auch den meiden, dessen Augen unstet sind und weinfarbig aussehen; laß dich nicht mit ihm ein, sondern weiche ihm aus. Dem Besitzer eines kleinen, bläulichen oder dunklen oder schwarzen Auges, das zugleich zittert, schreibe Hurerei zu, wie schon beim Besitzer eines rötlichen Auges. Wer bläuliche Augen hat, bei dem vermute üble Denkart, und bei dem, der dunkle Augen hat, die Untugend von Jähzorn und Frechheit. Sieht man, daß das ganze Auge zuckt, als ob ein Hälmchen darin steckte, dann wisse, daß sein Besitzer der Wollust sehr ergeben ist und Spiel und Näschereien liebt.

Was nun ein blaues Auge betrifft, so ist die Eigenschaft, die es anzeigt, von der Eigenschaft anderer Augen gleicher Gestalt nicht verschieden; allerdings wird man den Besitzer blauer Augen, wenn die Pupille klein ist, als geldgierig vorfinden. Bei blauen Augen gibt es verschiedenes Blau, das bald zu Weiß, bald zu Violettblau neigt. Bei solchen Blaufarben gibt es verschiedene Arten; die eine ähnelt der Galle und anderen Farben, und bei der anderen zeigen sich kleine, verschieden farbige Punkte. (118) Sieht man aber ein blaues Auge mit trockener Pupille, als sei diese mit gelber Galle verfärbt, dann schreibe dem Besitzer üblen Charakter und berufsmäßige Gaunerei zu. Wenn ein blaues Auge feucht ist, so ist dies ein sehr gutes Zeichen. Ist das Auge gleichmäßig gefärbt und hat schönes, leuchtendes Blau, dann schreibe dem Mann einen guten Charakter und kaum Jähzorn zu. Ist aber das Blau schwächer und nicht ganz klar, halte den Besitzer für ängstlich und haltlos.

Oft zeigen sich in blauen Augen verschiedengefärbte Punkte, und ich will dir dies beschreiben.  Sieht man in blauen oder graublauen Augen violettfarbene Punkte rings um die Pupille (und diese Punkte ähneln Hirsekörnern), und liegen in anderen Augen rötliche Punkte in gleichem Abstand um die Pupille (wie Perlen in leinenen Gewändern) und sind diese Punkte manchmal mehr, manchmal weniger häufig und bald blaßrot, bald gelb, und sind manche groß, manche sogar noch größer und verschiedenartig, …

Einst sah ich einen Mann aus Kyrene, dessen Namen ich nicht nenne, in dessen Augen hirsekorn-ähnliche Punkte um die Pupille lagen und einmal rötlich und einmal schwarz waren und wie Feuer funkelten. Der Mann war die Schlechtigkeit in Person, unbeherrscht in Begierden, etwa Unzucht, Ausschweifung und Dreistigkeit; er kannte weder Gottesfurcht noch Treu und Glauben und war ein Ausbund aller Schändlichkeiten. (120) Zwar konnte ich ihn nur einmal beobachten, doch bestätigten natürlich die Zeichen von Schlechtigkeit einander.  Kaum also hatte ich ihn gesehen, so stand mein Urteil über ihn auf Grund der beobachteten Zeichen schon fest. Die große Menge erkennt freilich meistens nicht einmal ein Zeichen, so deutlich es auch sein mag. Ich aber will dir alle weiteren Zeichen der Reihe nach erklären, da ich all dies gelernt und durchschaut habe. Es gibt freilich keinen Menschen, der diese ganze Wissenschaft in einem Buch zusammenfassen könnte. Für dich aber wird, wenn du alle anderen Zeichen gelernt und entsprechend meiner Beschreibung  erprobt hast, dies zur Grundlage der physiognomischen Wissenschaft dienen, ganz so, wie ein Knabe schrittweise Lesen und Schreiben lernt. Nun aber wollen wir die begonnene Erklärung der Augen und ihrer Verschiedenheit mit Gottes Hilfe zu Ende führen.

Beschreibung der Augen und ihrer Verschiedenheit.

Wenn du ein blaues Auge mit Punkten rings um die Pupille siehst, dann gehört dieses Auge einem Verräter und Dieb, der auch Scharfsinn und Klugheit genug besitzt, um seine eigene Lage günstig zu gestalten. Wenn man diese kleinen Punkte kreisförmig um die Pupille verteilt sieht und zugleich feststellt, daß diese Leute kleine Augen haben, dann soll man ihnen große Schurkerei, Hinterlist, Habgier und ausgesprochen niedrige Denkweise, verbunden mit Geschmeidigkeit (122) und süßen Reden zutrauen. Du wirst keinen zweiten finden, der so raffgierig und habsüchtig ist, wobei ihn freilich so niedrige Beweggründe wie Furcht und Angst nicht selten zurückhalten.

Sehen die Augen nach oben, zeigt sich darin Ähnlichkeit mit den Augen von Rindern, und dies sind Zeichen für Dummheit, Beschränktheit und geistigen Defekt, denn solche Menschen sind Schlemmer, Buhler und Säufer. Wenn solche Augen ins Bleiche spielen, weisen sie auf Mordlust, große Gewalttätigkeit in Denken und Tun und Hang zum Blutvergießen. Sind die Augen rot und groß, zeigen sie Trunksucht, Spielleidenschaft und Buhlerei an; die Rede ist nicht frei von häßlichen und niederen Worten, und die Augen weisen auf Streitlust und Trägheit. Sieht man, daß die Augen nach unten sehen, schreibe dem Besitzer gleiche Eigenschaften zu wie dem eben genannten, der nach oben sieht, abgesehen davon, daß solche Augen besonders auf ein jähzorniges, heftiges, hitziges Wesen hinweisen; niemand kann sie durch irgend eine List vom Entschluß zu einer Tat und deren Ausführung abbringen, ist doch, was bei ihnen feststeht, gleichsam in Eisen gegossen.

Siehst du aber, daß das eine Auge nach oben, das andere aber nach unten blickt und beide zugleich zittern, und wenn außer dem Genannten sich noch die Augenbrauen zusammenziehen und auf hochfahrenden, heftigen Sinn weisen, dann sprich dem Besitzer Einsicht, Verstand und klares Denken ab. Augen, die nach rechts sehen, (124) verraten Beschränktheit und Trägheit. Neigen sie sich nach links, deutet dies auf Unzucht. * Wenn ein Auge verdreht blickt und schweift und man sieht, daß es wie schielend auf die Nase schaut, dann weist dies auf Hurerei, häufigen Verkehr und Ehebruch hin, besonders, wenn das Auge feucht ist und mit den Lidern zuckt. Ein trockenes Auge aber, das umhersieht ...*

Was aber jene betrifft, in deren Augen sich Punkte und Dunkel finden, so liegt hier die Sache anders. Graublaue Augen stehen nämlich in Gegensatz zu Augen mit dunkler Färbung, weil bei ihnen weder Farbe noch Sache übereinstimmen. Zuerst nun von schwärzlichen Augen. Zu einem Auge mit schwärzlicher Färbung gehört ein schwacher Charakter; dessen Besitzer aber lieben Gewinn und Vorteil und haben ein weites Gewissen. Wenn man hingegen in blaugrauen Augen nur Schwärzliches sieht und nichts anderes, dann ist dies ein gutes Zeichen. Oft aber liegen jene Punkte, die wie Hirse aussehen, um die Pupillen solcher Augen. Man findet auch um diese Punkte herum einen schwarzen Kreis; bei manchen ist er auch rötlich, bei anderen weiß. Wenn du also bei einem graublauen Auge Rötliches und Schwärzliches vermischt siehst, (126) was man aber aus der Ferne nicht erkennt, und die Röte nur gering ist, dann wisse, daß der Besitzer klugen Sinnes ist, tapferen Herzens, schönen Geistes, weise, zuverlässig, von gutem Gedächtnis und rascher Auffassung. Ist jedoch die Rötung stark und zeigen sich darin ähnliche Zeichen wie rote oder blasse oder schwärzliche Punkte, und siehst du dort eine Art Feuer blitzen, und findet sich ein weißer oder roter Kreis um die Pupille, … und siehst du, daß das Auge sich bewegt wie ein Mensch, der ohne Anlaß rasch in Raserei gerät (als ob in ihm irgendetwas wirkte), und wenn die Augenlieder aufgerissen sind - wenn du also ein solches Auge siehst, dann mußt du wissen, daß dir  niemals wieder ein Auge begegnen wird, das so durchaus böse ist, nicht einmal das Auge eines Wolfs oder eines Wildschweins. Wer so ein Auge hat, hört nicht auf, Böses zu wollen, und <weicht> nicht von seinem üblen Tun und seiner schrecklichen Art ab.

Augen von solcher Art habe ich kaum je gesehen, doch sah ich einen Mann, der, auch wenn er aus Lydien stammte, ins Ionische Gebiet herabgekommen war, um sich dort herumzutreiben. Seine Augen waren ganz so, wie ich sie dir beschrieb. Die Hautfarbe (?) jedoch war dunkel und spielte ins Rötliche, als ob er ein Trinker oder jähzornig wäre. Er hatte ein weibisches Gesicht, arrogante Redeweise, eine lange Nase; Kinn und Wangen standen weit von den Augen ab und (128) waren sehr fleischig. Sein Nacken war fett und kurz, sein Bauch war gewaltig, hoch, flach und höchst fleischig. Die Schenkel waren dick, Finger und Zehen kurz, das Fleisch an den Händen fett, und seine Stimme klang häßlich schrill. Der Gesichtsausdruck glich dem eines leidenden, erbitterten Mannes und schien jedermann zu drohen. Fast immer zischte er durch die Zähne wie ein Wildschwein, wenn es auf den Jäger losgeht, um ihn niederzuwerfen. Immer, wenn er lachte, lachte er schallend, und sein Geist schien höchst erregt. Daran erkannte ich, daß er voller Bosheit steckte. Ständig trieb und sann er Arges und wälzte Schandtaten im Sinn, plante Unrecht und Gewalttaten, drohte oft mit Schlimmem, war ein Mörder und vergoß Blut. Häufig rühmte er sich auch der Unzucht mit jungen Männern und Frauen, und daß er keine andere Kunst betreibe als die Zeugung von Hurenkindern. Auch verhielt er sich gegen einen Freund schlimmer noch als gegen einen Feind, wenn er auch gewillt war, sowohl dem Freund wie dem Feind zu schaden, sei es Freier oder Sklave. Er erfand zahllose Arten unerhörter Verbrechen.

Zu den abscheulichsten Auswüchsen, die niemand ahnte, gehörte Folgendes: Einst sandte er einem Nachbarn, der einer Glaubensgemeinschaft angehörte, zu einem Festtag, an dem man sich versammelte, als Geschenk einen Korb; niemand aber wußte, was darin lag. Als der Bote den Korb abgestellt und sich entfernt hatte, sagten alle zueinander: „Bestimmt hat uns jener  eine Menge von Speisen geschickt.“ Als man nun das Mahl auftragen ließ, stand unter dem Aufgesetzten auch der Korb. Nachdem man ihn aufgedeckt hatte, lagen oben Schüsseln mit Austern; (130) unter diesen aber fand sich der Kopf eines Menschen. Dies jagte den Gläubigen einen solchen Schrecken ein, daß sie die Versammlung auflösten und alle nach Hause zurückkehrten, wobei sie jenen Unhold immer wieder verfluchten und Gott baten, ihn zu bestrafen, da er ihnen Speise und Trank befleckt habe. Auch ich gehörte zu den Verfluchenden und werde damit nicht aufhören, so lang ich lebe.

Ähnliches berichtete mir ein Syrer, der ihn kannte: Jener habe ihnen oft die Mahlzeit verdorben. Er habe häufig Leute zum Weintrinken genötigt, und wenn sie dann einschliefen, habe er ihnen den Bart abgeschnitten. Manchmal habe er auch Leute, die tief schliefen, erstickt, und er habe Untaten verübt, wie sie anderen nicht einmal in den Sinn kämen. An keinem Mahl oder keiner Trinkrunde habe er teilgenommen, ohne sie durch Scheußlichkeiten und Schmutz zu besudeln. Nicht einmal gegen Verwandte habe er sich anders benommen. Auch habe er sich auf Magie und Gifte verstanden, die zu Starre und Tod führten, wie auch auf jede abscheuliche Kunst. Ich habe niemals weder Mann noch Weib gesehen, die von solcher Art waren. Sein Charakter neigte stark zu Schmähreden, war er doch ein Hauptverleumder und Intrigant. Allen Menschen war er feind und wollte ihnen schaden. Wenn er die Augen aufschlug, sah ich, daß sie sehr feucht waren und den Augen eines Prassers glichen, der maßlos fraß und zu viel ungemischten Wein trank. So oft er jemand ein Übel zugefügt hatte, sah ich ihn gut gelaunt und hemmungslos lachen, mit zufriedener Miene Unverständliches murmelnd. (132) War ihm eine Schandtat gelungen, sah ich ihn vergnügt wie einen bellenden Hund.

Ich erfuhr, daß er sogar Vater und Mutter umgebracht hatte. Seinen Vater räumte er durch einen vergifteten Trank, den er ihm selbst reichte, aus dem Weg. Die Mutter aber führte er auf ein Schiff, als wolle er mit ihr zur Stadt … segeln. Doch als er mit ihr weit draußen war, stieß  er sie ins Meer, und die Wogen trieben sie zur Insel Kalymna, wo man sie fand, herauszog und sich um sie bemühte, bis sie wieder zu Atem kam. Sie mußte dann <als Schiffbrüchige> unendlich lang um Almosen betteln. <Der Priester> Olympius berichtete mir, jener Schurke sei zu ihm gekommen, um durch irgend ein Opfer Reinigung von seinem Verbrechen zu erlangen, und habe ihn selbst bedrängt, das Opfer für ihn darzubringen, um seine Untat zu sühnen. So habe ihn der Priester vor die Stadt an den Strand geführt, doch als er den Ort für dieses Sühnopfer ausgesucht hatte, sei man unvermutet auf ein Grab gestoßen, so daß die Opferdiener nicht mehr weiter gruben. Da habe der Priester zu jenem Kerl gesagt: „Mann, versuche etwas anderes! Dein Opfer und dieses Tier werden nicht angenommen.“ Jener aber habe den Priester angefahren und geschrieen: „Tu, was man dir sagt!“ Da habe der Priester Angst bekommen, das Opfer begonnen und dem Mann einen schönen, fetten, makellosen Bock zugeführt. Als der Priester das Tier dann töten wollte, sei es <ihnen> unter den Händen tot umgefallen, ohne daß irgend eine Ursache zu erkennen war. Als der Priester dies sah, sei er weit von ihm geflohen, in die Stadt zurückgekehrt und habe Mittel gesucht, durch die er sich von <der Berührung mit> jenem Verfluchten reinigen könne.

Nun wollen wir von der Bedeutung (134) eines graublauen Auges sprechen, das mit Punkten gesprenkelt ist. Je mehr Rot es zeigt, einen desto übleren Charakter deutet es an. Findet man aber größere Punkte vor, wird dem Träger starker Jähzorn, Ungestüm, Neigung zum Ehebruch und Heuchelei innewohnen. Sind die Punkte aber klein, weisen sie auf Sanftmut und Liebe zur Eintracht hin. Blutrote Punkte jedoch in dunklen Augen zeigen Gaukler an. Sind die Punkte blaß, weisen sie auf böswillige Denkweise, Hinterlist und Verstellung … Bei blaugrauen Augen ohne Punkte, jedoch mit einem verschiedenfarbigen Ring, achte auf dessen Größe und Farbe. Ist der Ring nämlich schwarz und schmal und kommt noch ein roter Ring dazu, und findest du dieses Zeichen bei feuchten Augen, dann glaube, daß sie auf tüchtigen Sinn, Seelengröße, Klugheit, Einsicht, Rechtschaffenheit, rasche Auffassung, Liebe zu Knaben und Verlangen nach ihnen hinweisen. Sieht man aber, daß ein Ring um die Pupille blaß ist und dunkle Beimischung hat, dann hat man ein Zeichen für Dummheit, Hinterlist, Neigung zu Untat und Raffgier; der Ring bedeutet auch große Leidenschaft für Frauen und für Umgang mit ihnen. Manchmal vereint er Farben wie ein Regenbogen; wenn du dieses Zeichen an trockenen Augen vorfindest, dann schreibe <ihrem Träger> Verlogenheit und Verworfenheit zu. Erscheint das Gleiche aber in feuchten Augen, weist es auf Beschränktheit und Verkehrtheit hin. Allerdings kann (136) ein Besitzer dieses Zeichens viel nachdenken, tapferen Mutes, dabei aber geschwätzig und höchst jähzornig sein und heftig nach Liebeslust begehren.

Ich meinerseits lobe ein Auge, das nicht allzu tief liegt. Dies betrifft ein tief liegendes Auge, das gleichsam in einem mit Wasser halb gefüllten Gefäß schwimmt und schwankt; und wenn die Augen zugleich groß sind, darfst du ihrem Besitzer nichts Schlimmes zuschreiben, es sei denn, du fändest in den Augen selbst oder an einem anderen Körperteil weitere Zeichen, die auf Böses hinweisen. Mit Sicherheit nämlich gleicht die Größe der Augen den Fehler der tiefen Lage aus. Im Gegensatz dazu: Siehst du ein kleines und tief liegendes Auge, dann schreibe dem Träger Hinterlist und Tücke, Neid und Eifersucht zu. Ist das Auge auch noch trocken, dann schreibe ihm aus der Menge schlechter Eigenschaften auch einen Mangel an Religion und Beraubung jeglichen Gastes zu, bis hin zum Tempelraub. Wenn du siehst, daß der Blick des Auges abgestumpft ist und gebrochen, dann schreibe dem Besitzer Dummheit und Trägheit zu. Solchen Augen, die heftig tränen, traue Hinterlist, Diebstahl und Ähnliches zu. Sind sie aber von Tränen nur feucht, dann erkenne auf Dummheit und Ähnliches. (138)

Einmal sah ich nämlich einen Mann aus Korinth, der eher kleine und dazu sehr tiefliegende Augen hatte. Sie hielten zwischen Klein und Groß die Mitte, waren blaugrau und trocken und blinzelten; die Augenbrauen ragten weit über die Mitte der Wangen hinaus, und die Stellen unterhalb der Brauen waren ohne Haare. Hinzu kam, daß rings um die Augen an der Hautoberfläche Bläue lag, ähnlich dem Blau <in der Haut> nach einem starken Schlag. Der Mann war unverschämt, grob und rücksichtslos und derart rebellisch, daß er gegen den Machthaber einen Aufstand anzettelte. Er war von solcher Art, daß alle ihn mieden; er haßte anständige Leute, war zu jeder Schandtat bereit und quälte unaufhörlich seine Gefährten. Zudem war er ein Trunkenbold und <im Zorn> seiner nicht mächtig. Nun will ich aber berichten, wie es mir mit ihm erging.

Ich befand mich nämlich einmal im Gefolge seiner Majestät des Königs, und als wir mit ihm von Braqua nach Asien zogen, wobei dem König Heere und Flotten folgten, stieß jener Mann zu uns. Wir zogen aber an vielen Städten vorbei, bis wir ans Meer kamen. Damals fuhr der König nach Bun und Alsrus und in die Gegenden von Lydien und Phrygien und zu vielen Orten. Sodann kehrten wir durch die Meerenge nach Asien zurück, und <der König> landete in Ruk (?). Sodann fuhr er auf kleinen Schiffen nach Anis, und bei dieser Fahrt kamen ihm nun die <Kriegs->Schiffe entgegen. Als wir dann nach Asien gelangten, (140) kam  ich zu jenem Mann ins Quartier. Und siehe da! Er und seine Kumpane umringten in Waffen den König, und das veranlaßte er keineswegs, um den König zu ehren, auch nicht, weil er dem König ergeben war, sondern weil er Gelegenheit zu einem Attentat suchte und seine finsteren  Pläne ausführen wollte, die ihm selbst keine Ruhe ließen. Er hatte aber Mitverschworene, deren Haupt und Anführer er war.

Wir nützten die Gelegenheit, als der König damit beschäftigt war, zur Jagd auszuziehen,  so daß wir ihn nicht sprechen konnten; ich setzte mich mit meinen Gefährten nieder, wobei wir miteinander über den König sprachen und die Mühen, denen er ausgesetzt war, auch, wie er die Annehmlichkeiten des Lebens entbehrte, für die ihn die Menge immer glücklich pries. Im Lauf des Gesprächs kam die Rede auch auf den erwähnten Kerl, und wir staunten über seine Schuftigkeit, die schändliche Art und seine Hartnäckigkeit beim Ersinnen von Übeltaten. Während wir so redeten, erschien plötzlich jemand mitten aus dem Wald vor unseren Augen, so daß wir höchst erschrocken aufsahen. Und natürlich war es jener Schuft, über den wir gesprochen hatten. Wie eine Schlange hatte er sich angeschlichen, um uns auszuhorchen. „Euer ganzes Gerede“, sagte er, „betraf nur mich.“ Ich entgegnete: „Zwar sprachen wir von dir, doch wollten wir uns nur deine Umstände erklären. Bitte, erkläre uns selbst, wie du solche Mühe auf dich nehmen wolltest und so große Anstrengungen aushalten kannst.“ Auf meine Worte hin brach es aus ihm hervor: „Daran ist wahrhaftig der böse Geist schuld und der schlimme Drang, den er in meiner Seele erregt hat“; (142) dabei brach er in Tränen über sich selbst aus und rief: „Weh mir! Ich bin verloren.“ Das also war es, was ich bei kleinen, tiefliegenden Augen zu sehen bekam.

Dennoch bin ich so weit davon entfernt, weit hervorstehende Augen im Gegensatz zu  tiefliegenden zu loben, daß ich sie sogar ablehnen möchte. Manchmal nämlich sind hervorstehende Augen von Dünkel geschwellt, und man muß wissen, daß hier krankhafter Neid wirkt. Ein tiefliegendes Auge aber, das zwischen den Rändern um das Auge wie in einer Grube liegt, mit enger Pupille …

Wenn du also ein gerötetes Auge siehst, führe es auf Neigung zu Trunk und Trägheit zurück. Ist das Auge aber auch noch graugrün, dann schließe bei dem Träger auf große Neigung zu Verbrechen, Untat und Mangel an Klugheit. Treten diese Zeichen aber am Auge mit schweren Brauen verbunden auf, dann sprich von Mangel an Einsicht und Verständnis. Kommt zu diesem Zeichen noch sichtliche Trockenheit der Augen, dann sei auf der Hut und meide solchen Umgang. Diese Leute sind nämlich von der Art, daß sie ihre Väter und Mütter morden, und zudem sieht man, daß sie sich auf Magie verstehen. Siehst du aber ein Auge, das feucht ist und weder tief liegt noch hervorsteht, dabei aber glänzt und hell ist, dann lobe es; du wirst im Besitzer einen verständigen, bildsamen Mann und einen Liebhaber von Literatur und Geselligkeit finden. Ich habe gehört, daß das Auge des Philosophen Sokrates von dieser Art war, sagte doch Apollo von ihm, (144) er habe alle übrigen an Einsicht übertroffen. Seine Mitmenschen brachten ihn vor allem deshalb um, weil sie ihn wegen seiner offenkundigen Weisheit beneideten.

Ich sah einmal einen Mann mit kleinen, rötlichen, hervorstehenden Augen, die an das Auge eines Krebses erinnerten. Er stammte aus dem Land, das Lydien heißt, und hieß auch „Krebs“ wegen der Ähnlichkeit seiner Augen mit Krebsaugen. Da ich von seinem Aussehen gehört hatte, suchte ich so lange nach ihm, bis ich ihn fand, wollte ich doch erkunden, welche innere Anlage die Form seiner Augen verriete. Bei meinem Besuch in seinem Haus fand ich, daß er weder klug noch verständig war, sondern ein Mann mit sarkastischer Sprache und mit hoher Bereitschaft zu allem Bösen. Kaum nämlich hatte er etwas gesehen, so wollte er es schon besitzen. Seine Augen zitterten andauernd und heftig; beide waren klein, ziemlich rot und hatten kaum Ähnlichkeit mit den Augen anderer Menschen.

Wenn du einmal ein kleines zwinkerndes, höchst bewegliches Auge siehst, dann schreibe ihm Hinterlist, Verschlagenheit und verwerfliche Begierden zu. Siehst du ein Auge, das träge zittert, dann denke an einen Schuft, wenn das Auge nicht sehr groß ist. Ist es aber groß, sprich nur von geringerer Schlechtigkeit, füge ein wenig Gutes hinzu, Tüchtigkeit und großen Sinn, aber auch Neigung zu Wein und Weibern und geringe Zuverlässigkeit. Von dieser Art war <König> Alexanders Auge, spielte jedoch zugleich ins Violette. (146) Siehst du also ein solches Auge, dann sprich von Kühnheit und nur geringer Besonnenheit, hohem Ehrgeiz,  Hang zur Völlerei und zu Schenke, Weib und Gesang. Bei blaugrauen Augen gibt es solche, in denen das Blaue vorherrscht;  bei sonst gleichen Merkmalen, setze sie dunklen Augen gleich und sprich von übler Gesellschaft. Hüte dich jedenfalls vor näherem Umgang, wenn einer solche Augen hat, denn du wirst ihn als unredlich und höchst unzuverlässig erleben. Wenn bei einem solchen Auge geringe Größe und Dunkelheit zusammenkommen, dann schreibe ihm obendrein heftigen Jähzorn zu. Ist das Auge neben der gegebenen Beschaffenheit auch trocken, dann füge deinem Urteil Zügellosigkeit und üble Sitten bei. Kommt aber zu dieser Beschreibung noch Kleinheit <des Auges> hinzu, mußt du wissen, daß du den Charakter für noch schlechter halten mußt. Du wirst nämlich sehen, daß solche Leute liederlich sind, Denunzianten, und daß sie ihre Kollegen durch schändliche Verleumdung ins Unglück stürzen. Beim Anblick von Augen … die gut geformt, tiefliegend und dabei ganz  ruhig sind, sprich von Habgier, großer Ängstlichkeit, Eifer für Bildung und das Gute, aber auch von Schürzenjägerei.

Augen aber, die sozusagen Strahlen aussenden, gehören Ränkeschmieden, Verrätern an ihren Genossen, wenig Zuverlässigen, die auch zu Wollust, Hurerei und allen weiteren Lastern (148) neigen. Diesen Augen mußt du solche vorziehen, die ihnen gänzlich entgegengesetzt sind, nämlich sehr helle und schimmernde. Du wirst nämlich finden, daß es gute Leute sind, jedenfalls wenn nicht andere Zeichen gegen sie sprechen. Ich rate nämlich einem Physiognomen ernstlich, sich im Urteil ja nicht zu übereilen, bevor er alle Zeichen, die einander auch widersprechen können, gründlich geprüft hat. Gewiß nämlich sind die Augen des Kaisers Hadrian von dieser Art, doch sind sie voll des schönsten Lichtes und graublau bei scharfem Blick, sah man doch in aller Welt niemand, der ein leuchtenderes Auge besaß. Zeigt sich hingegen in einem solchen Auge ein Licht dieser Art, nicht jedoch blitzend wie in einem Kristall, sondern ähnlich den Sonnenstrahlen (solche Zeichen finden sich zumeist in blauen Augen), und wenn sich weiter damit einige Röte verbindet, dann schreibe den Trägern blinden Jähzorn und Frechheit zu und glaube, daß sie nicht weit vom Wahnsinn entfernt sind.

Siehst du aber ein blaugraues Auge, das wie die Sonne strahlt, so weist es auf Ängstlichkeit, Furcht und Vorsicht bei jeglichem Unternehmen hin, sowie auf Umgang mit armen Leuten. Sieht man aber ein schwärzliches Auge, das strahlt, beurteile es wie ein ganz schwarzes, und nimm dies zusätzlich als Zeichen für Ängstlichkeit und schreibe dem Träger heftigen Hang zum Bösen zu. Dieses Auge überschreitet nämlich die Eigenschaften anderer Augen; da bei seinem Eigner zu den genannten Eigenschaften ständiges Gelächter hinzutritt, traue ihm Bosheit und vielfache Übeltat zu. Ich sah nämlich einen Mann, Bewohner einer Insel … (150) in Phoenizien, der schändliches und dämliches Gerede vermuten ließ, wie es seinem Aussehen entsprach und die Form seines Auges sowie Körper und Gliedmaßen bewiesen. Er hatte nämlich besonders starke Augenbrauen, eine gewaltige Stirn, hervortretende, längliche, schmale Augen, weiche und zugleich schwellende Wangen, einen großen Mund, dünne und breite Lippen, die fast so breit waren wie der ganze Mund. Dieser Mund glich dem Maul einer Meerschlange, denn Meerschlangen haben größere Mäuler als Landschlangen. Immer nur lachte der Mann, wenn man ihn traf, er sprach niemanden an, ohne zu grinsen, und diese Lachlust brachte ihn sogar dazu, Trauerbotschaften unter Gelächter zu überbringen. Er hatte aber jenes Glied verloren, das die Frauen höchst innig begehren. Trotzdem trieb er Dinge, die zu berichten Schande brächte. Auch handelte er wie ein Tyrann, indem er seine Verbrechen verheimlichte, hinterlistig und mißgünstig war und sich vielfach tödlicher Gifte bediente. Seine Mitbürger beteuerten, er habe nicht nur e i n e n seiner Verwandten mit Gift ums Leben gebracht. Auch schreckte er kaum je vor einem Vergehen oder falschem Zeugnis oder einer faustdicken Lüge zurück, glaubte auch nicht einmal, daß es einen Gott für ihn gebe, brachte auch weder selbst ein Opfer dar noch ließ er es von anderen für sich darbringen; auch wollte er weder Gott dem Herrn gehorsam sein noch tat er je ein gutes Werk. (152)   

Trockenen Augen mit scharfem Blick traue Ungerechtigkeit zu; siehst du aber, daß die Pupille in einem Auge feucht ist, schließe auf Mut, Kühnheit, heftigen Jähzorn, große Tatkraft, rasche Entscheidungen, Schnelligkeit im Handeln, Ausführung (und nicht Vermeiden) des Notwendigen. Ist das Auge aber von gleicher Art, jedoch mit trockener Pupille, dann halte den Besitzer für einen Schurken und für gänzlich niederträchtig. Zeigen sich aber kleine, tiefliegende Augen, dann schreibe dem Besitzer bösen Willen und heuchlerisches Verbergen von Plänen zum Verderben von Menschen und obendrein Habgier zu.

Wenn zu einem Auge in gleichem Zustand eine Stirn kommt, die schwer und runzelig ist, und an der die Augenbrauen struppig sind, sprich von Verwegenheit, heftigem Jähzorn, Gleichgültigkeit und Unzuverlässigkeit. Findest du aber diese Eigenschaft an den Augenbrauen nicht und siehst du, daß die Lider herabhängen und der Raum zwischen beiden Augen tiefer liegt, und siehst du, daß die Pupillen bescheiden dreinsehen, der Blick jedoch eng und hart ist, dann sprich von Gefühllosigkeit und heftigem Hang zu Verbrechen. Erkennst du jedoch in einem Auge Wollust und zugleich Sanftheit, dann lobe den Besitzer ja nicht. Er ist nämlich wortbrüchig, verheimlicht, was er im Sinn hat, ist tückisch und ein Schuft in Gesinnung und Tun. Siehst du aber, wie einer zur Erde schaut und dabei lacht, (154) und wenn sein Auge beim Lachen trocken bleibt, dann zähle ihn zu den Schlimmsten. Keine Spur von Güte beweist nämlich stetes Lächeln in einem Auge, das sonst schurkisch ist, und dies besonders, wenn das Auge wie lauernd aus seiner Höhle blickt. Sieht man obendrein, wie so einer beim Lachen Stirn, Wangen und Lippen verzieht, dann steckt nichts Gutes dahinter. Solche Zeichen weisen nämlich beim Besitzer auf Angriffsgeist und Heimtücke, mit denen er auf einen anderen losgeht. Sieht man nämlich, wie solche Augen geöffnet und geschlossen werden, dann muß man wissen, daß ihr Besitzer auf Verbrechen und Untat sinnt. Wenn man aber sieht, daß die Augen <weit> geöffnet sind, und es scheint, ihr Besitzer wolle sie zudrücken, dann wisse: Der Mann hat alles Schlechte schon verübt. Siehst du einen heftig lachen …, traue ihm Wortbruch und üble Ränke zu.

Zeigt sich Feuchtigkeit in den Augen eines Menschen, der dir zulächelt, … und sieht man, daß der Bereich zwischen den Augen weich ist und ein Augenlid träge, dann neigt der Besitzer mehr zum Guten als zum Bösen. So wird man finden, daß seine Sitten schön und freundlich sind, findet bei ihm auch Rechtlichkeit, Milde, Mitleid und Freundlichkeit gegenüber Armen; freilich wirst du sehen, daß er <manchmal> trotz Erkenntnis des Guten und Streben nach ihm der Lust verfällt. Siehst du also ein solches Auge, dann lobe den Menschen und fürchte ihn wegen dieser Schwäche nicht mehr als die übrigen, die ihre Augen niederschlagen, (156) es sei denn, das Auge sei nicht feucht. Vor solchen muß man sich ja  hüten. Du wirst die Erstgenannten nämlich als nachdenkliche und kunstliebende Menschen finden. Zeigt sich aber bei solchen Menschen auch eine gesenkte Augenbraue, eine weiche, schlaffe Stirn und eine demütige Miene, dann lobe ihn; es gibt ja nichts Lobenswertes, was man den Besitzern solcher Zeichen nicht zuschreiben könnte. Man kann sich nämlich auf sie verlassen … Ist das Auge aber niedergeschlagen, trocken … und die Stirn grimmig und der Blick starr und sind die Augenbrauen borstig, dann gehört dies zu den Zeichen gänzlicher, tierähnlicher Rohheit. Einem solchen traue daher Unrecht und Übeltat zu.

Zeigt sich jedoch, daß sich die Augen bei unverwandtem Blick öffnen und schließen und, geschlossen, <eine Weile> so bleiben und dann wieder aufgehen, dann schließe auf Heimtücke und Diebstahl fremden Gutes. Findet sich in den Augen aber einige Feuchtigkeit, wirst du auch sehen, daß solche Leute vorsichtig sind, Kinder lieben und sie gern haben. Zeigt ein solches Auge außer den beschriebenen Eigenschaften Zittern und zugleich bläuliche Färbung, dann schließe auf Wahnsinn. Man wird ja gewiß erleben, daß diese Menschen  wahnsinnig sind oder es bald sein werden. Sieht man ein Auge, das sich, wenn auch geschlossen, nach oben richtet, dann vermute bei solchen Leuten Hurerei und Tölpelei. Sieht man, daß ein Auge, (158) geschlossen, nach oben sieht und feucht ist, dabei aber groß und klar ist und die Stirne sanft und weich, dann schreibe dem Besitzer große Sittsamkeit, hohe Sorgfalt und Sachkenntnis zu. Siehst du aber, wie ein trockenes Auge geschlossen und nach einer Weile wieder geöffnet wird, dann stelle bei solchen Menschen Verwegenheit, Eifer im Bösen und Tatkraft fest. Zeigen sich neben diesen Merkmalen eine trotzige Stirn, hochgezogene Augenbrauen und grobe Lider, dann schreibe dem Besitzer jähen Zorn und schlimme Leidenschaft … zu.

Sieht man eine milde Gesamtverfassung des Auges, bestätige man ihm bessere Eigenschaften als allen sonstigen Augen. Wenn man den Besitzer eines solchen Auges sieht, seine Lider aber nicht ruhig sind und auch seine Augenbrauen nicht ruhig, sondern eher zitternd, und wenn die Pupille sozusagen zuckt, dann wisse, daß es sich um den Typus eines Mannweibes handelt, obschon Ähnliches auch unter Männern vorkommt. Sind die Augen aber ständig weit geöffnet, dann schreibe den Besitzern raschen Überdruß an dem zu, was sie tun, und an dem, was sie lassen. – Ich will dir noch über Trockenheit und Feuchtigkeit der Augen sprechen, über Licht und Dunkel, Kleinheit und Größe, Höhlung und Wölbung … und Anspannung, und zwar über das hinaus, was ich dir schon vortrug, erläuterte und schilderte. Wenn dir dies dann im Gedächtnis bleibt, kannst du (160) als Physiognom noch Weiteres aus eigener Kraft erkennen, wenn es der beste und größte Gott so will.

Sieht man ein Auge, das stets offen ist, zugleich aber dunkel und ein wenig feucht, dann ist der Besitzer höchst vorsorglich. Ist der Blick darüber hinaus mild, dann ist der Besitzer <des Auges> ein guter Mann. Ist das Auge aber offen und schimmert bei scharfem Blick wie Marmor, dann zeugt dies von geringem Anstand. Eine solche Natur zeigt sich aber in den Augen von Männern, die nicht sind wie andere Männer, etwa wie ein Eunuch ist, der aber nicht verschnitten ist, sondern ohne Hoden zur Welt kam.

Ich habe aber, glaube ich, nur einen Mann dieser Art angetroffen, und der stammte aus dem Land, das man Keltenland nennt. Er war geil und ausschweifend über alle Maßen, denn seine Augen glichen denen von Schwerverbrechern und entsprachen so meiner oben gegebenen Schilderung. Ich beschreibe dir aber nun seinen Leib. Er hatte eine vorgewölbte Stirn, weiche Wangen, einen breiten Mund, einen langen, dünnen Hals, dicke Schenkel und fleischige Füße. Sein Geschrei glich dem eines Weibes, und so waren auch sonst alle seine Glieder und alle Extremitäten weichlich; auch kam er nie aufrecht daher, sondern seine Glieder und Gelenke waren schlaff. Er verwandte großen Eifer (162) auf die Körperpflege, hatte üppiges Haar, rieb sich mit Salben ein, und schließlich trieb er alles, was zu Lust und Beischlaf reizt. Seine Stimme glich der von Weibern; die Lippen waren schmal. Unter allen Menschen sah ich niemals einen, der ihm gleichsah und gleiche Augen hatte wie er. Bei solcher Körpergestalt hielt er spöttische Reden und führte alles aus, was ihm eben durch den Sinn ging. Er beherrschte Griechisch in Wort und Schrift, gebrauchte diese Sprache fast immer und hatte den Titel eines Sophisten. Überall besuchte er große und kleinere Städte   und versammelte die Menge, um Übles zu lehren und Unrecht ins Werk zu setzen. Besonders aber war er ein gerissener Zauberer und Gaukler von Profession, versprach er doch den Menschen, er könne zum Leben erwecken, aber auch töten. Damit zog er die Leute derart an, daß ihm ganze Scharen von Männern und Weibern zuliefen. Den Männern nun redete er ein, er könne Weiber zwingen, zu ihnen zu kommen, und ebenso Männer zwingen, Weibern nachzusteigen. Dies verkündete er hinter einem Vorhang und machte damit Eindruck. Er war ein glänzender Lehrer jeglicher Verbrechen und sammelte alle Arten tödlicher Gifte. Alle seine Geistesgaben verwandte er stets auf eines dieser Dinge. Ich lernte dadurch, daß Eunuchen ein übles Pack sind, voller Genußgier und weibisch in ihrem ganzen Gehabe. Man muß aber wissen, (164) daß sich bei einem Eunuchen, den Menschen kastriert haben, Gestalt, Farbe und Leib, die er früher hatte, verändern, daß sich aber bei solchen, die ohne Hoden geboren sind, die Sache ganz anders verhält, verglichen mit den Eigenschaften jener, die man kastriert. Niemand ist also ein größerer Schurke als einer, der ohne Hoden geboren wird. Wenn man daher Augen sieht, wie ich sie zu Beginn dieser Ausführungen beschrieb, wird man finden, daß ihr Besitzer Eunuchen gleicht.

Augen, die sich beständig öffnen und schließen, weisen auf Ängstlichkeit.Tritt noch Trockenheit der Augen hinzu, muß man wissen, daß es sich um ausgemachte Heuchler handelt, wahre Feinde der Menschheit. Ist aber das Auge verdreht und etwas bläßlich, dann fehlt nicht mehr viel zum Wahnsinn. Wenn du ein solches Auge siehst, dessen Bewegung Ängstlichkeit und Furcht andeutet, dann wisse, daß sein Besitzer ein Übeltäter und abgefeimter Schurke ist. Ist das Auge ruhig und wird es nicht oft bewegt oder wirft es rasch schweifende Blicke, dann weist dies auf vorzügliche Umsicht, wunderbare Klugheit und auf den Hang, sich stets zu kämmen und zu frisieren. Sieht man in den Augen blasse oder rötliche Adern, verbunden mit Trockenheit, dann stelle häßlichen Sinn, ständigen Neid, heftigen Jähzorn und <beginnenden> Wahnsinn fest …

Ich will nun über Augen mit Geschwulsten sprechen. Findet man man, daß bei einem solchen Auge die Unterlider (166) geschwollen und fest sind, dann sprich von Neigung zum Trunk;  sind aber die Oberlieder so beschaffen, dann sprich von Hang zum Schlafen. Zeigt sich dies bei Unter- und Oberlid gemeinsam, dann sprich, wenn die Augen dazu noch beweglich und unruhig sind, von Raubgier. Wenn Leute ähnlich aussehen wie jene, deren Lider nach außen gestülpt und verdreht sind, dann schreibe ihnen, da die Lider allzusehr hervortreten, weibische Art zu. Siehst du aber, daß die Lider hervortreten, die Augen feucht sind und die Pupille ruhig und weich, dann vermute beim Besitzer Hang zu Hurerei, Geckenhaftigkeit und Vorliebe für schöne Kleider. Beobachtest du aber, daß das Lid in der Mitte hervortritt und sein vorderer und hinterer Teil herabhängen, dann schreibe dem Mann Hurerei zu. Ist das Lid in der Mitte zusammengezogen und der vordere und hintere Teil angehoben und ähnelt das  Auge sonst den Augen von Leuten mit aufgestülpten Lidern, dann sprich von Ehebruch. 

Wir wollen nun über die Physiognomik von Gliedern, Gelenken, Atmung, Stimme und anderem sprechen. Ich weise dich aber gleich darauf hin, daß ein einziges Zeichen niemals genügt und daß du dein Urteil erst dann als zutreffend ansehen darfst, wenn du die Aussage weiterer Zeichen einbezogen hast. Erst dann nämlich, wenn die Zeichen sich ähneln und gegenseitig bestätigen, wird dein Urteil Gewißheit erlangen. Dennoch mußt du als Hauptsache dieser Kunst und als ihre erste Grundlage die Zeichen (168) der Augen ansehen. Beide Augen sind nämlich die Tore zum Herzen und Suchgraben zu den Affekten, wobei nach den Augen gleich die Brauen, Stirn, Nase, Mund, Wangen und Haupt folgen, die nach dem Auge das wahrste oder begründetste Zeugnis über das geben, was im Innersten vorgeht. Auf die Zeichen im Gesicht folgen Hals, Brust und deren Umgebungen; sodann kommen die Schultern mit ihrer Umgebung, Bauch, Rücken, Arme, Schenkel, Füße und alles andere. Auch sind die Zeichen der Hautfarbe bei der Deutung von nicht geringerem Gewicht als die erwähnten Hinweise. Weiterhin sind Stimme, Atmung und Bewegung jedes beliebigen Körperteils wichtige Zeichen.

Du mußt aber das Gesamtbild erfassen, um es auf den Körper anzuwenden, ganz so, wie man ein Siegel auf die Unterlage drückt; dabei zeigen sich: Gemeinheit, Jähzorn, große oder keine Begier, unterdrückte Grausamkeit, Heuchelei, Gedächtnis oder Vergeßlichkeit und weitere Hinweise auf gute oder schlechte Art. An diesem Gesamtbild mußt du einzelne Zeichen für Gutes ablesen, z.B. Frömmigkeit, Glaube und große Schamhaftigkeit; in gleicher Weise erkenne darin schlimme Zeichen, z.B. (170) boshafte Art und ärgste Schlechtigkeit. Weiterhin: Zeichen für Bescheidenheit und Hochmut, Spielsucht, Neid, Verwegenheit, Gier, Unrecht, Verbrechen und Meineid. Hast du alle diese Zeichen erwogen, wirst du dadurch  Anhaltspunkte finden, die den Gesamteindruck bestätigen und die mit den Zeichen an den Augen übereinstimmen.

Hast du also einen Menschen betrachtet, stelle Vergleiche an und überlege, ob du ihn für männlich oder weiblich ansehen sollst, und zudem, welche besondere Ähnlichkeit mit einem Tier du an ihm finden kannst; dazu helfen vorwiegend die Hautfarbe und die Glieder mit ihren Bewegungen. Hast dann diese Zeichen mit den Zeichen an den Augen verbunden, dann fälle dein Urteil entsprechend dem, was du an beiden beobachtet hast. In beiden ist nämlich große Erkenntnismöglichkeit gegeben, mit deren Hilfe dein Urteil (so Gott der Herr es will) nicht fehlgehen kann. Wenn ich nämlich mit dir über Ähnlichkeit mit Tieren beim Menschen gesprochen habe, wird dir sicher auch eine solche Ähnlichkeit beifallen, durch die du einen Menschen durchschauen kannst und die in den Wesenszügen jedes einzelnen <Tieres> größte Ähnlichkeit mit dem Menschen aufweist. Unbedingt jedenfalls mußt du den Zustand „männlich“ und „weiblich“ unterscheiden. Du wirst nämlich niemals jemand antreffen, bei dem nicht Ähnlichkeit mit einem Tier oder eine <beiden> gemeinsame Anlage vorliegt.

Kapitel II. <Ähnlichkeit des Menschen mit den übrigen Lebewesen>

In Kapitel II wird gehandelt über die Ähnlichkeit, die (wie du sehen wirst) beim Menschen mit den übrigen Lebewesen besteht, mit Vierfüßlern, Vögeln, Reptilien und den weiteren Lebewesen. Du wirst nämlich niemand finden, bei dem nicht Ähnlichkeit mit einem Tier (172) oder ein ähnlicher Charakterzug besteht. Umso mehr muß man genau, besonders beim Menschen, auf Ähnlichkeiten <mit Tieren> achten. So wirst du unter den Menschen <immer> jemand finden, der Ähnlichkeit mit zahmen und wilden Tieren aufweist.

So ist z.B. der L ö w e mutig, kühn, heldenhaft, zornig, nach Belastungen ausdauernd, besitzt Schamgefühl, ist edel, großmütig und listig. – Der P a n t h e r ist ohne Schamgefühl, verbuhlt, boshaft, versteckt, will gern seine Gegner besiegen und töten, verträgt sich mit einem Verträglichen, ist hochmütig und stolz, ist nicht zahm und läßt sich auch nicht zähmen. – Der G e p a r d hat Schamgefühl, ist gesellig und lebhaft, gerät leicht in Zorn, ist stolz, neugierig, ist eher bescheiden, liebt ein bequemes Leben, Ehre und Sieg und kann auch boshaft sein. – Der L u c h s, den man auch caracal (Katze) nennt, kennt keine Scham, ist kühn, hochsinnig, munter, ängstlich, stolz, geschwätzig und aufrichtig. – Die H y a e n e ist ziemlich dumm, stumpfsinnig, läßt sich leicht täuschen, ist gefräßig, sehr buhlerisch, zu Hause demütig, im Feld aber mutig. – Der W o l f ist frech, hinterlistig, bösartig, ein gieriger  Räuber, Übeltäter, listig, hilft bei Gewalttaten mit und steht einem Gefährten bei. (174) – Der B ä r ist ein Schwindler, unwissend, stumpfsinnig, hinterlistig, geil, verspielt, schleicht sich heimlich an, schleppt Beute stur fort und wütet ungestüm. 

Der H u n d ist zahm, treu, geduldig, ein Helfer und eifriger Beschützer, ein Wächter aus Liebe zu seinen Hausgenossen, ein Streiter in der Not, mutig zu Hause, unterwürfig draußen; er haßt Fremde, ist raffgierig und geizig, streitlustig, bellt gern, ist verfressen, unsauber, von schlechtem Charakter, schamlos, hat niedere Begierden. – Der S c h a k a l, den man auch Hylax nennt, ist kleinmütig und schwach, von niederer Gesinnung, heult gern, ist mürrisch, läuft davon und ist ein Räuber.

Das S c h w e in ist niedrig gesinnt, geil, verteidigt sich voller Haß, greift blindlings und ungestüm an und treibt sein Spiel, indem es den besiegten Gegner als Spielball benützt.. – Der A f f e ist klug, spielt aber den Dummen, treibt Kurzweil, äfft nach, ist schlau und buhlerisch. - Der T h o s (?), ein Tier, das aus einer Kreuzung von Hyäne und Wolf entsteht, ist von übler Art, frech, heuchlerisch, voller Ränke, feig, feindselig, von niederem Wesen und eifersüchtig. – Der F u c h s ist schlau, listig, unterwürfig, feige, raubgierig, verschlagen und verspielt. - (176) Der B i b e r ist schlau, treu, ein guter Freund, ein Prahler, geschwätzig, leichtfertig, streitsüchtig.

Der H a s e ist geduldig, gesellig, leicht zufrieden zu stellen, stellt sich selbst zur Schau, prahlt, kennt nichts Böses, ist kleinmütig und ängstlich. – Der K l i p p d a c h s ist klug, gesellig, kaum einmal bösartig, aber listig, schlau, gewandt. -  Der I c h n e u m o n (Pharaonsratte) ist bösartig, flüchtig, keck, aggressiv, ausdauernd, gemein, schädlich. – Das W i e s e l ist sehr bösartig, auch wenn es wenig Kraft hat, räuberisch, schlau, angriffslustig. - Die K a t z e ist freundlich, prahlerisch, selbstverliebt, liebt Bequemlichkeit, ist munter, gierig, listig, neugierig, zeigt sich als Freundin der Menschen und gewöhnt sich an einen Ort, an einen Menschen aber nur notgedrungen. – Das E i c h h ö r n c h e n ist klug, gesellig, prahlt gern, ist gewandt, raubgierig, geil, hat viel Nachwuchs. – Der Z w e i f u ß (Libysche Maus) ist kleinmütig, körperlich schwach und frei von Bosheit, schlau, gewandt. – (178) Die

H a s e l m a u s ist versteckt boshaft, sehr schädlich und verspielt, räuberisch, niederträchtig, geil, ausdauernd, schlau und sehr vergeßlich. – Der M a u l w u r f ist unwissend, von niedriger Gesinnung, unbedeutend und genügsam.

Das S t a c h e l s c h w e i n (erinaceus magnus) ist ein Heuchler, bösartig, unwissend, geil, flüchtig und von schlimmer Art. - Der I g e l (erinaceus parvus) ist unwissend, sehr gesellig, treulos, vorsichtig, rasch und gewandt, stachelig, wenn auch schwächlich, gerät leicht in Zorn.

Der V a r a n u s (Niloticus) ist ausdauernd, hinterlistig in wirren Lagen . - Der E l e p h a n t ist tapfer, schreckhaft, besitzt Seelenstärke, ist gewichtig, großsinnig, verstellt boshaft, untreu, ist geil, zerstört gern etwas, treibt Scherz; er ist klug und friedlich, wenn man ihn in Ruhe läßt. – Das N a s h o r n ist sehr stark, scharfsinnig, schlau, reizbar, zur Flucht bereit, bösartig, verschlagen, unbändig. – Der B ü f f e l ist klug, gesellig, eifersüchtig, tapfer, im Sieg voller Haß, verabscheut Fremde, besitzt Ehrgeiz, ist ein guter Freund. – Das R i n d ist gesellig, ausdauernd, hat derben Verstand, ist geil, angriffslustig. (180)

Das Ka m e l ist ausdauernd, edel, bescheiden, rasend vor Wut, stumpf, voller Haß, gesellig. – Die G i r a f f e ist selbstgefällig, klug, gesellig, verspielt, ohne Bosheit. – Das W i l d r i n d

ist tölpelhaft, aggressiv, flüchtig, verbuhlt, verspielt, von Haus aus genügsam. – Der H i r s c h ist tölpelhaft, schwachen Geistes, verwegen, gesellig, gegen Rivalen höchst aggressiv, geil. – Der S t e i n b o c k ist mutig, dummdreist, spröde, gesellig. – Die Ga z e l l e ist von guter Art, trotz ihrer Stärke ohne Bosheit, spröde, beschränkt, hält auf Freundschaft. – Das S ch a f   ist ein sehr gutmütiges Tier, kennt keine Bosheit, ist beschränkt, zahm, aber angriffslustig beim Spiel mit anderen. (182) Die Z i e g e ist schlau, keck, geil, trügerisch und sehr verspielt, ist aber auch höchst boshaft und zappelig. –  Die W i l d z i e g e ist dummdreist, ein Herdentier, kleinmütig und verspielt.

Das P f e r d ist stark, ausdauernd, ein tapferer Kämpfer, gesellig und doch eitel, fröhlich, selbstgefällig. Je nach Rasse hat es verschiedene Eigenschaften, doch ist hier nicht der Ort, diese lang und breit zu beschreiben. – Das M a u l t i e r ist stark, freundlich, unzuverlässig, heuchelt und läßt sich nicht abrichten. – Der E s e l ist von niedriger Denkart, ausdauernd, hat einen üblen Charakter ohne jegliche Einsicht. - Der W i l d e s e l flieht schnell, ist ängstlich und stumpf, ungebändigt, geil und bewacht eifersüchtig seine Weiber. – Der S i m o r (Wiesel; mustela cibillina) ist bösartig, schwächlich, klug, schlau und neigt dazu, sich selbst zu töten.

Der S e e h u n d  ist bösartig, schlau und wild. – Der F i s c h ist dumm, flieht, ist nicht bösartig, ist stumm. - Das K r o k o d i l hat einen üblen Charakter, ist tückisch, gefräßig, aggressiv, verschlagen. – Das F l u ß p f e r d ist stark, lebhaft, gefräßig, im Wasser ungefährlich, jedoch höchst schädlich auf dem Land. – Der D e l p h i n ist verspielt, begehrlich, harmlos. – Der H a i f i s c h ist bösartig, frech, heimtückisch, flieht rasch, ist kühn. -  Der W a l f i s c h ist sieghaft, von schlechtem Charakter, steckt voll Bosheit, reißt aber gern aus. – Die W a s s e r s c h i l d k r ö t e ist dumm, von übler Art, kann aber nicht viel Schlimmes anrichten. – (184) Der A a l ist von übler Art und flieht gern. – Der K r e b s ist stark, gewandt, ein Räuber und Jäger, ein ängstlicher Heuchler, listig, geil. - Der F r o s c h ist töricht, geschwätzig, von schlimmer Art, ein Heuchler.

Der A d l e r ist stark an Leib und Seele, ist gesellig, zwar ungeschliffen und treulos, doch von hohem Streben. – Der F a l k e (? sunqur) ist ein Sieger, sehr gewalttätig, eingebildet, hochmütig. – Der H a b i c h t ist kräftig, kühn, stolz, scharfsichtig, ängstlich und ausdauernd.  - Der S a c e r stiftet Schaden, sieht scharf, jagt gern, ist ungeduldig, ängstlich und beschützt die ganze Nachbarschaft. – Der G e i e r ist kleinmütig, kräftig, nicht sehr gewandt, flieht, hat einen üblen Charakter, wird sehr alt.

Der S c h w a r z v o g e l ist schwächlich, stiftet Unruhen, ist von weichlichem Wesen,  niedergeschlagen, traurig und von niedriger Art. – Die G a b e l w e i h e ist heuchlerisch, frech, streitlustig, trügerisch, flüchtig und unedel. – Der R a b e, d. h. der schwarze Rabe, ist schlau, ängstlich, ein Räuber, flüchtig, ahmt nach, ist von bäurischer Art und gern allein. – Die K r ä h e, d.h. der verschiedenfarbige Rabe, ist räuberisch, scheu, schlau, hängt sehr an ihrem Schwarm und sammelt Futter. - Die D o h l e ist klug, gesellig, fröhlich und liebt Spiel und Scherz. – Die E l s t e r ist klug, täuscht, ist ausdauernd, sehr fleißig und liebt ihre  Jungen.

 Die G a n s ist hart, ängstlich; in der Herde ist sie kühn, schimpft und ist ein aufmerksamer Wächter. – (186) Die E n t e ist nicht sehr klug, aber ausdauernd und lebhaft; sie strengt sich beim Watscheln übermäßig an. – Der K r a n i c h ist kräftig, standhaft, ist ziemlich dumm, greift heftig an und besitzt scharfe Augen. – Der W ü r g a d l e r (morphnus) ist wenig klug, hat niedrigen Sinn, ist gesellig, nach Sieg begierig, hat sanfte Art.

Der V o g e l   S t r a u s s ist recht tölpelhaft ausdauernd, hat Ehrgeiz, ist gut gelaunt, von milder Art und töricht. – Der P f a u ist stolz, prächtig, bewundert sich selbst, ist schwächlich, ängstlich, leicht in Liebe entflammbar, hat schmeichlerischen Ton. – Das H u h n besitzt  wenig Mut, ist unschuldig, aber gefräßig. -  Der H a h n ist so freisinnig, daß er sich selbst hintanstellt; er ist voller Sorge für die Seinen und andere und auch deren Verteidigung; er bewundert sich selbst, ist wachsam, zeigt die Zeiten an. – Das H a s e l h u h n ist geschwätzig, flüchtig, leicht verliebt. – Das R e b h u h n ist von übler Art, kräftig, schlau, streitsüchtig. 

Die T a u b e n sind gesellig, kennen keine Untat, sind liebegierig und, wenn sie verliebt sind, bald fröhlich und vergnügt, bald jammernd und seufzend. – Die W a c h t e l ist geschwätzig, ängstlich, flüchtig, töricht und bringt sich, verliebt, selbst in Gefahr. – Der S t a r ist geschwätzig, ahmt nach, ist geil und unruhig. – Der S p e r l i n g ist frech, ängstlich,   leichtfertig, kümmert sich um sein Nest, richtet großen Schaden an. (188)

Das R o t k e h l c h e n (?), d.h. Meise (?) kennt nichts Böses, ist leicht zufrieden, freundlich, jähzornig, geschwätzig. – Die M a u e r s c h w al b e (?) ist eitel, geschwätzig, genügsam. – Der W i e d e h o p f hat scharfe Augen, ist gesellig, klug, bescheiden, kennt nichts Böses und kündet jedem, dem er begegnet, großes Glück. – Die F l e d e r m a u s (vesperugo) ist von boshafter Art, schädlich, auch wenn sie nur schwach und nicht sehr klug ist; auch ist sie von niedriger Gesinnung und heuchlerisch. –  Der  S p i e s s f l u g h a h n (P t e r o c l e s alchata) ist klug, ausdauernd, flüchtig, bescheiden.

Die H e u s c h r e c k e ist gesellig, von heftigem Ehrgeiz, verwegen und von unbeständigem Wesen. – Die B i e n e ist sozial, klug, unbeugsam, ängstlich, sorgt für Erwerb, sammelt Futter, ißt gerne, ist sparsam, gehorcht ihrem Imker, ist auch wachsam. – Die W e s p e ist dumm, zu Hause dreist, draußen aber bescheiden, auch frech, ist von verletzender Art, trügerisch, gierig, flüchtig, schädigt Artgenossen nicht. – Die F l i e g e ist frech, niedrig gesinnt, schmutzig, streitsüchtig.

Die S c h l a n g e ist heuchlerisch, klug, angriffslustig, dabei ängstlich und flüchtig; sie ist häufig auch ein Hausfreund, wobei sich der schlimme Teil ihres Wesens rasch wandelt. – Der S c o r p i o n ist bösartig, verbirgt seine schlechte Art und sticht. - Die E i d e c h s e (Sterneidechse) ist von törichter Art und niedriger Gesinnung, lebt von geringer Nahrung, ist harmlos. – (190) Die A m e i s e ist habgierig, sparsam, sucht mühsam Nahrung, ist unstet, tapfer, sorgt eifrig für ihren Bau; geht es um die Nahrung, ist sie unnachgiebig, mag sie auch schwach sein.  

Du mußt aber wissen, daß mit diesr Schilderung von Tieren und ihren Charakteren Folgendes  beabsichtigt ist: Der Physiognom erhält Beispiele, an Hand derer er über die Sittern jener Menschen urteilen mag, die solchen Tieren an Gestalt ähnlich sind. Bei seinem Urteil hat er  die Zustände des Beurteilten gemäß dessen Sitten und Erscheinungsbild in Betracht gezogen.  Daher achte auf all dies sorgsam, wobei du das  zuerst anführst, was selbst der Dümmste schon weiß. Übersieh aber ja nicht, was aus den genannten Zeichen an den Augen hervortritt; dies vergleiche mit dem Übrigen, und du wirst gewiß bei jedem Menschen einen Körperteil der erwähnten Vierfüßler und Vögel erkennen. Wenn du nun ähnliche Zeichen von Tieren an den Gliedern eines Menschen mit denen in den Augen vergleichst, wirst du oft bei e i n e m Menschen Ähnlichkeiten mit verschiedenen Tieren finden und wirst sehen, daß er Ähnlichkeiten mit manchen Vögeln und manchen Vierfüßlern aufweist, z.B. Ähnlichkeiten mit Hunden und zugleich mit Schweinen. Ich jedenfalls habe einmal einen Menschen gesehen, der mit einer Schildkröte zu vergleichen war.

Achte also auf dieses, denn ich habe dir erklärt, was du nach meiner physiognomischen Belehrung wissen und unbedingt beachten mußt. Du mußt nämlich aus Gang, Stimme, Bewegung der Augen das Wesen jeglichen Lebewesens erkennen und sodann daraus die Wesensdeutung ableiten; dabei darfst du auf keinen Fall etwas von all den erwähnten Ähnlichkeiten mit Lebewesen übersehen, damit du auch alles Weitere, was ich nicht (192) anführte, erschließen kannst. Du mußt nämlich wissen, daß Augen, die mäßig gewölbt sind, dem Auge des Löwen gleichen; Augen jedoch, die stärker gewölbt sind, zeigen gänzliche Verworfenheit an, etwa die Augen von Affen. Verzagte, flache Augen ähneln den Augen von Rindern. Wenn ein Auge an einer Stelle übermäßig gewölbt ist und auch sonst Zeichen von Verbohrtheit aufweist, dann gleicht es dem Auge eines Esels, und du mußt dem Inhaber zuschreiben, daß er ein Schreier und Unruhestifter ist.

Du darfst auch nicht alle Erkenntnismöglichkeiten übergehen, die ich dir aus den Zeichen für Männlich und Weiblich zu gewinnen riet. Solche mußt du an Blick, Bewegung und Stimme erkennen, sodann das eine davon mit dem anderen vergleichen, um mit voller Sicherheit herauszufinden, welches von beiden vorherrscht. Im Männlichen liegt ja auch Weibliches und im Weiblichen auch Männliches. Welche Bezeichnung jedoch zutrifft, hängt davon ab, was jeweils vorliegt. Auch in diesem Bereich der Wissenschaft wird es genügen, das zu erlernen, was ich dir aufschrieb, und sodann das Gelernte anzuwenden. Ich habe mir dies ja mit viel Studieren und ständiger Erprobung angeeignet und will dir nun das Wichtigste am Wesen des Mannes und die wichtigsten Zeichen des Weiblichen vorführen: Der Mann besitzt nämlich größere Stärke, ist kühner, unterliegt weniger leicht dem Laster, neigt eher zu Aufrichtigkeit und Treue, ist ungestüm, ehrgeiziger und verdient höheren Respekt. Das Weib hat entgegengesetzte Eigenschaften, hat es doch keinen Mut, ist trügerisch, schwierig im Umgang, verbirgt seine Absicht, ist eigensinnig, ungerecht, (194) streitsüchtig und keck …

Ich will nun die körperlichen Zeichen von Mann und Frau und ihre physiognomische Deutung vorführen, und du wirst zusehen, welches Geschlecht vor dem anderen vorwiegt, und danach dein Urteil in der Hauptsache gestalten. Die Frau nämlich zeigt sich, mit dem Mann verglichen, mit kleinem Kopf und kleinem Mund, hat weichere und dabei dunkle Haare, hat auch ein schmaleres Gesicht, glänzende, leuchtende Augen, einen schlanken Hals, einen  schwachen und flachen Brustkorb, schwache Rippen, ausladende, höchst fleischige Hüften und Schenkel mit schlanken Unterschenkeln, schönen Knien, schönen Fingern und Zehen; der übrige Leib ist saftig und hat lockere, weiche Gliedmaßen; er hat auch weiche Muskeln, ist teils schmal, teils breit. Die Stimme ist schwach, der Schritt kurz, und das Weib geht zögernd einher mit weichen Gliedern, träger Bewegung, raschem Dahingleiten. Der Mann hingegen bildet das vollkommene Gegenteil zu dieser Beschreibung, doch kann man auch bei Frauen Ähnlichkeit mit Männern finden.

Man wird nun sehen, daß manche Tiere, seien sie männlich oder weiblich, männliche und  weibliche Zeichen zusammen aufweisen. So wird man bei den Arten, bei denen sowohl in männlichen wie weiblichen Tieren männliche Zeichen (196) überwiegen, den Löwen vorfinden, wie man auch eine Schlange sehen wird, die einem männlichen Tier gleicht, und   Vipern mit weiblicher Gestalt, wobei die Ähnlichkeit mit dem weiblichen Geschlecht sowohl bei männlichen wie weiblichen Exemplaren vorherrscht.

Nun will ich dir die eigentümliche Beschaffenheit jener Tiere schildern, denen ich männliche Gestalt, und dann jene, denen ich weibliche Gestalt zuschreibe; dann kannst du das Männliche wie auch das Weibliche an beiden ablesen. Es sind dies der Löwe und der Panther. Der Löwe besitzt nämlich ein mächtiges Haupt, eine breite Stirn mit vorspringenden Augenbrauen, gewölbte, blaugraue Augen, eine dicke Nase; Kiefer und Rachen sind ausladend, der Hals dick, der Nacken stark, die Mähne wallend, und bei zunehmendem Alter werden die Haare rötlich. Seine Schultern sind riesig, die Flanken stark; auf Schenkeln und Hüften sitzt wenig Fleisch. Die Brust ist mächtig. Schenkel und Schienbeine sind höchst muskulös; die Vorderbeine sind ebenmäßig. Sein Gebrüll ist laut, die Schritte greifen weit aus; er zögert lang und ist sehr scheu. Dies jedenfalls ist die Beschreibung eines <überwiegend> männlichen Tieres.

Der Panther hingegen hat einen kleinen Kopf, eine niedere Stirn, scharfe Augen, weiche Glieder, (198) einen schmalen Hals, eine enge Brust, schlanke Flanken und einen langen Rücken, dazu einen glatten Leib mit weichem Fell. Wenn dir also bei einem Vergleich das Weibliche als vorwiegend erscheint, dann schreibe dem Besitzer zu, was dir die weiblichen Zeichen andeuten. Triffst du aber bei einem Vergleich das Männliche als vorherrschend an, schreibe dem Besitzer das zu, was die männlichen Zeichen andeuten. Du mußt aber wissen, daß der Mann grundsätzlich stärker ist, sich eher als kühn darstellt, weniger lasterhaft ist, und daß er, von Unheil bedrückt, es besser erträgt als das Weib. Mache dir also zu eigen, was ich angeführt habe.

Kapitel III. Wesensdeutung aus den Merkmalen der Fingernägel.

Wenn die Nägel breit, weiß, rötlich sind, ist dies ein Zeichen für Intelligenz und Gedächtniskraft. Schmale, lange, eingebogene Nägel aber weisen auf geringe Intelligenz, zu wenig Geist und Einsicht, auf wenig Sorgfalt und auf Ähnlichkeit mit Tieren. Sind die Nägel jedoch stark gebogen, lassen sie auf wenig Anstand und Raub fremden Besitzes schließen. Sieht man aber, daß sie groß und eingewachsen sind, dann schreibe dem Besitzer geringe Intelligenz und Ähnlichkeit mit Tieren zu. Kleine Nägel verweisen auf Scharfsinn und Schlauheit. In gleicher Weise urteile über bläuliche, dunkle, rauhe Nägel, das heißt: Tadle sie. Sehr runden Nägeln schreibe große Lüsternheit zu. Du darfst aber aus vielen vereinten  Zeichen erst dann ein Urteil fällen, wenn du über die Einzeldeutung hinausgegangen bist. (200)

Kapitel IV. Physiognomik auf Grund von Merkmalen der Finger.

Sieht man Finger mit eingewachsenen Nägeln, schreibe den Trägern heftiges Gezänk und Hohn zu; sind sie aber eingebogen, sprich von übler Raffinesse, schlechtem Charakter und Raffgier. Sind die Finger schmal und schlank, sprich von Mangel an Verstand und Geist. Kurze und dicke Finger weisen auf Frechheit und Mangel an Taktgefühl hin, so daß Ähnlichkeit mit Tieren besteht. Auch lobe nicht den Besitzer von schmalen und langen Fingern, denn diese verraten geringe Einsicht, Beschränktheit und Possen. Lobe Finger von  maßvoller Form und Gestalt.

Kapitel V. Physiognomik nach Zeichen an den Füßen.

Wenn man straffe, kräftige Füße sieht, und daß ihre Muskeln gleichmäßig und stark sind und die Gelenke wohlgebildet, dann sind dies Zeichen für heldische, tatkräftige Männer. Sind die Füße aber sehr fleischig und weich, dann verraten sie Schwäche, Weichlichkeit und Schlaffheit. Siehst du kurze und dicke Füße, lobe sie nicht, denn solche Zeichen gehören zu Tieren. Sind hingegen die Füße lang, beweisen sie gewaltige Bosheit und Versunkensein (202) in böse Gedanken. Wenn du siehst, daß die Füße klein und schmal sind, dann zeigen sie einen frechen Taugenichts an. Von dürren Füßen aber erwarte große Bosheit und Streben nach Schlimmem. Immer wenn die Füße unten gewölbt sind, deutet dies auf das Schlimmste, denn ein übleres Zeichen an den Füßen gibt es nicht. Haben Füße keine Wölbung, so daß die Fußebene mit den Fersen auf gleicher Höhe ist, dann erkenne Bosheit und Unredlichkeit und nimm dich vor solchen Leuten ja in Acht. Dieses jedenfalls habe ich dich gelehrt. 

Kapitel VI. Deutung von Zeichen im Bereich zwischen Knöcheln und Ferse.

Wenn man sieht, daß der Bereich zwischen Knöcheln und Fersen sehr fest ist, dann schreibe man dem Besitzer Tüchtigkeit und Kühnheit zu. Stellt man hier jedoch Schlaffheit und Weichlichkeit fest, dann sprich von Ängstlichkeit. Ein schmaler Knöchel zeigt Furchtsamkeit und Hurerei an. Dicke Knöchel mit sehr viel Fisch darum … und Dicke der dazugehörigen Fersen, und wenn neben diesen Kennzeichen (204) noch stumpfe Finger und dicke Schienbeine dazukommen, dann gehört all dies zu den Zeichen von Dummheit, Wut,  Verwirrung und ähnlichem.

Kapitel VII. Bedeutung von Merkmalen an den Unterschenkeln.

Sieht man gleichmäßige Unterschenkel, die weder zu dick noch zu dürr sind und gleichmäßig erscheinen, dann schreibe man ihrem Besitzer glühende Neigung zu Wissenschaften zu. Sind die Schenkel ungleichmäßig und verbogen, … dann schreibe dem Besitzer Ängstlichkeit und Wehleidigkeit zu … auch einen üblen Charakter und Lüsternheit. Wenn dort auch noch die  Muskeln hervortreten, läuft das Gesamturteil auf große Lüsternheit und Hurerei hinaus. Sieht man, daß sich der Schenkel in der Mitte wölbt und hervorsteht wie ein Bauch, dann bescheinige man dem Besitzer schlechte Sitten, Gefräßigkeit, Schürzenjägerei, Gier und Schamlosigkeit. Sind Schenkel und Fersen dick, weist dies auf Beschränktheit, Geistesschwäche und knechtische Gesinnung.

Kapitel VIII. Deutung von Zeichen an den Knien.

Zeigen sich die Knie locker, weich, haltlos und sozusagen nach innen gebogen, gehört dies zu den Zeichen weibischer und weichlicher (206) Art. Höchstes Lob aber verdient Ebenmaß bei den Knien und überall sonst.

Kapitel IX. Physiognomik der Zeichen an Lenden und Oberschenkeln.

Sieht man, daß Lenden und Oberschenkel fleischig sind, erkenne man auf Mangel an Kraft und auf Schlaffheit des Besitzers. Zeigen sich die Lenden hart mit hervorstehenden Knochen, weist dies auf Rüstigkeit. Weniges und dünnes Fleisch an den Lenden weist auf Betrug, Hinterlist und  Schuftigkeit, und so zeigt es sich auch bei den Füchsen.

Kapitel X. Deutung der Zeichen an den Hüften.

Wenn man harte Hüften sieht, an denen die Knochen hervortreten, dann ist dies das Zeichen eines tüchtigen, kraftvollen Mannes. Ist das Fleisch an den Hüften üppig und weich, ist es ein Zeichen für Weiberart. Sieht man an den oberen Teilen der Hüften Magerkeit, vermute man Wollust, Schürzenjägerei und Feigheit. (208)

Kapitel XI. Deutung von Zeichen am Rücken.

Zeigt sich ein breiter, kräftiger Rücken, zeugt dies von besonders tapferen Männern und heftigen Zornesausbrüchen. Ist es aber anders, weist dies im Gegensatz zu dem, was ein breiter, starker Rücken bedeutet, auf Schwächlichkeit hin.

Kapitel XII. Krümmung des Rückens und ihre Bedeutung.

Sieht man am Rücken eine Krümmung, ist dies ein Zeichen für unehrenhafte Männer, es sei denn, andere Zeichen legten Zeugnis <für den Beurteilten> ab, etwa Zartheit der Glieder. Diese nämlich stellt ihm ein gutes Zeugnis aus. Ein schöner Rücken weist auf Jagdliebhaber,  wie ich einen solchen einmal sah. Er war dick und fett, hatte einen großen Bauch, pralle  Wangen , war ein Angeber und großer Waidmann. Er gab nur hohles Gerede von sich und sagte kein wahres Wort über irgendetwas. Von Geburt war er ein Armenier, und so paßte diese Beschreibung auf ihn.

Kapitel XIII. Die Rippen und ihre Zeichen.

Wenn du dünne und schwache Rippen siehst, schreibe ihrem Besitzer Ängstlichkeit und Schwäche zu. Starke Rippen (210) mit viel Fleisch weisen auf Dummheit und fehlende Intelligenz. Runder, voller Brustkorb wie bei einem Wassersüchtigen ist Zeichen eines Mannes, der sehr geschwätzig ist und allerhand Lumpereien treibt.

Kapitel XIV. Physiognomik des Bauches.

Flachheit und Magerkeit des Bauches weisen auf Gesundheit und Größe von Seele und Streben. Allzu große Magerkeit und Schmächtigkeit des Bauches zeigen Ängstlichkeit, verwerfliche Gesinnung und Gefräßigkeit an. Größe des Bauches und starke Fleischigkeit, besonders wenn der Bauch weich ist und herabhängt, verraten Fehlen geistiger Beweglichkeit, dazu Trunksucht und starke Sinnlichkeit. Wenn einer jedoch sehr fleischig und stark ist, läßt dies auf verkehrtes Handeln, Heuchelei, Betrug, Hinterlist und Fehlen jeder Einsicht schließen.

Kapitel XV. Zeichen am Bereich zwischen Nabel und Ansatz der Brust.

Wenn man den Bereich zwischen Nabel und Brustansatz beim Abmessen länger vorfindet als den Bereich zwischen Brustansatz und Hals, dann sprich von Eßlust und Gefräßigkeit. Ist doch bei solchen Leuten der Magen ausgeweitet, das Organ für Geist und Einsicht jedoch eingeengt. (212)

Kapitel XVI. Physiognomik für Zeichen an der Brust.

Wenn du siehst, daß die Brust weit ist und gut gestaltet, dann lobe sie. Eine schwache und enge Brust zeigt Kleinmut und Ängstlichkeit an. Ist viel Fleisch an der Brust, weist dies auf geringe Einsicht und wenig Geschick.

Kapitel XVII. Deutung von Zeichen am Busen.

Wenn du siehst, daß die Brust schlaff ist und die Brüste zugleich groß sind und das Fleisch locker, dann zeigt dies Hurerei und Hang zur Trunksucht an. Ist die Brust breit und kräftig und ebenso der Bereich zwischen den Schulterblättern, also der Rücken, dann sprich ein Lob aus; ist die Brust aber eng und schwach, weist dies auf Kleinmut und Körperschwäche. 

Kapitel XVIII. Der Bereich zwischen den Schulterblättern und seine Zeichen.

Wenn du am Rücken zwischen den Schulterblättern und der Brust viel Fleisch siehst, dann weist dies auf Unwissen, Unverstand und (214) Geiz („Enge des Arms“). Ist aber der Raum zwischen den Schulterblättern breit, zeigt dies großes Wissen und Stärke an. Ist die Stelle zwischen den Schultern rund, verweist dies auf Wissen, Anmut und Klarheit in Reden und Tun. Beobachtest du aber an den Schultern eine Art Buckel, wobei die Schulterblätter zu eng hinten am Brustkorb sitzen, dann schreibe dem Besitzer Neid, schlimmes Tun und Bosheit zu. Auch, wenn der Körper zu eng an den Schultern hängt, schließe auf Barmherzigkeit und Liebe zum Geld.

Kapitel XIX. Zeichen am Bereich zwischen Schlüsselbeinen und Beginn der Brust.

Sieht man die Schlüsselbeine dicht beieinander stehen, so lobe sie nicht, sondern tadle ihre Besitzer und schreibe ihnen Trägheit und Zögerlichkeit im Handeln zu. Zeigt sich zwischen Schlüsselbeinen und Schultern ein größerer Abstand, halte den Träger für haltlos. Sieht man aber, daß der Abstand zwischen diesen beiden angemessen ist, nicht zu eng und nicht zu weit, dann zeigt dies Kenntnisse, Talent und Tüchtigkeit an.

Kapitel XX. Zeichendeutung nach Merkmalen an den Schulterblättern.

Siehst du dicke Schultern, darfst du sie nicht loben. Du mußt jedoch wissen, daß du bei Leuten mit harten und starken (216) Schultern Kraft und Tätigkeit finden wirst. Schmächtige Schulterblätter allerdings zeugen von geringer Kraft und von Furchtsamkeit. Dünne Schulterblätter mit herausragenden Spitzen verraten schändliches Handeln. Ragen sie schief hervor, weisen sie auf Dummheit und Einfalt.

Kapitel XXI. Deutung von Zeichen an Unter- und Oberarmen.

Wenn Unter- und Oberarme zusammen so lang sind, daß sie, wenn einer sie hängen läßt, bis zu seinen Knien reichen, dann weist dies auf Schönheit in Handeln, Wesen und Lebensführung. Sind die Arme so kurz, daß, wenn einer essen will, er sich vorbeugen muß, dann schreibe ihm Neigung zur Bosheit und entsprechendes Handeln zu, ebenso Lust an der Schädigung anderer und Habgier bei dem, was so einer besorgt und anstrebt. Über starke Arme und Ellbogen fälle ein gutes Urteil, ebenso über schlanke Arme. Kleinen, schwachen und dünnen Armen schreibe Schwäche zu. Haben Ober- und Unterarme viel Fleisch, zeigt dies einen Mangel an Kenntnissen und Gedächtniskraft wie auch Dummheit an. (218)

Kapitel XXII. Wesensdeutung nach Zeichen an den Händen.

Sieht man eine zarte Hand, schreibe man dem Besitzer Intelligenz zu und rasche Auffassung bei allem, was er lernen will. Zeigt sich eine große, grobe Hand, dann halte den Besitzer für tüchtig, kühn, aber schwer von Begriff. Bei kleiner Hand denke an Torheit. Ist eine Hand auch noch dick, zeigt dies Spottlust an. Bei schmalen und feinen Händen sprich von Raffgier. Bei einer dicken Hand mit kurzen Fingern vermute Diebstahl. Ist die Hand besonders klein, weist sie auf Betrug, Hinterlist und Dieberei. Sind die Hände schmal, hart und krallenartig, schließe bei ihnen auf Genußsucht und Neigung zur Geschwätzigkeit.

Kapitel XXIII. Deutung von Zeichen am Hals.

Siehst du einen dünnen und langen Hals, schreibe seinem Besitzer Ängstlichkeit und üble Gewohnheiten zu. Ist der Hals lang und dick, bescheinige Unredlichkeit und Einbildung auf die eigenen Entschlüsse und glaube, daß jener Mann alles macht, was ihm paßt. (220) Sieht man einen Hals, der mäßig lang oder kurz, auch dünn oder dick ist, und die Stelle, wo er ansetzt, harmonisch, aber kraftvoll ist, dann lobe den Besitzer für Tatkraft, Klugheit und Gelehrigkeit und alle sonstigen Tugenden. Ist der Hals dünn und schwach, traue dem Mann Schurkerei, verkehrtes Streben und böse Gedanken zu. Zeigt sich der Hals mit hervortretenden Adern, sichtbaren Muskeln und aufgeblähter Schlagader, vermute Torheit und Unwissenheit. Sind auch noch die Glieder des Mannes dick, zeigt dies ebenfalls  Übeltat, schlimmen Jähzorn und Unbelehrbarkeit an. Kürze und Dicke des Halses weisen auf Körperkraft, jedoch bei innerer Ängstlichkeit.

Wenn du siehst, daß die Halswirbel an ihrer Stelle unten an den Schultern übermäßig hervortreten, bescheinige Rücksichtslosigkeit. Ein steifer Hals zeigt einen Mangel an Gedächtnis und Kenntnissen. Ein weicher Hals deutet auf Lernbereitschaft und Einsicht. Einen starken Hals aber mit einem Kehlkopf, der einem Hahnenkamm ähnelt, lobe ja nicht, denn er ist weit entfernt von Wissen und Einsicht. Bei einem kurzen Hals, der sich nicht beugen will, sage, daß solche Leute durchaus boshaft sind, hartnäckig und von Wissenschaft gänzlich unbeleckt.

Ich lobe nämlich nur einen Hals von mäßiger Länge und Breite, der sich auch glatt anfühlt. (222) Siehst du einen Hals, der oben aufgerichtet und zurückgewandt ist, schreibe ihm ein hohes Maß an Dummheit zu … Ist aber die rechte Seite des Halses schlaff und geneigt, weist dies auf einen Planer hin, der alles aufs Feinste besorgt und ausführt. Erscheint aber die Schlaffheit an der linken Seite, weist dies auf Dummheit und Hang zu Hurerei. Tritt sodann eine solche Schlaffheit einmal an anderen Stellen auf, ist dies kein gutes Zeichen, nein, der Betroffene ist keinesfalls frei von Symptomen für Verrücktheit und Wahnsinn. … Wenn sich an der Kehle ein Wirbel zeigt, der aus den sonstigen Teilen des Halses hervorragt, dann zeigt dies einen Mangel an Ernst bei seinem Träger an, und man wird sehen, daß er seine Augen voller Gier auf alles Mögliche richtet, auch, daß er, sobald er nur zu trinken begann, dem Wein gänzlich verfällt; zudem wohnen ihm Jähzorn und tiefe Mißlaunigheit inne.

Kapitel XXIV. Das Kinn und seine Zeichen.

Siehst du einen Menschen, der ein langes Kinn hat, dann wirst du finden, daß er kein übler Kerl ist, den Zorn beherrscht, doch zur Unzeit daherredet (224) und weichlich und schwächlich veranlagt ist. Kleinheit des Kinns zeigt Schlechtigkeit und Heimtücke an, weist auch zugleich auf Verwegenheit und Mord. Ein kurzes, rundes Kinn bezeichnet Schwäche und Weichlichkeit. Siehst du das Kinn einem Viereck ähnlich, schreibe seinem Besitzer Verwegenheit und Energie zu. Zeigt sich dir ein Kinn, das an seiner langen Spitze sozusagen zweigeteilt erscheint, wirst du dies nicht als erfreulich ansehen, weist es doch auf Hinterlist und Feindschaft. Ist die Spitze nicht so weit gespalten und ein gewisser Zusammenhang gewahrt, deutet dies auf großes Verlangen nach Geschlechtsverkehr.

Kapitel XXV. Deutung von Zeichen an Mund und Lippen.

Schmale Lippen bei breitem Mund, wobei die Oberlippe auf der Unterlippe ruht, sind kein Zeichen von Bosheit, liegt doch Ähnlichkeit mit dem Maul eines Löwen vor. Den Besitzer eines solchen Mundes wirst du finden als tatenfroh, kühn, als Prahler, der großartig auftreten will; auch alle weiteren Eigenschaften, die man dem Löwen zuschreibt, wirst du an ihm entdecken. Schmale Lippen (226) bei kleinem Mund sind Zeichen für Ängstlichkeit, Schwäche und Hinterhältigkeit. Ich jedenfalls lobe einen Mund, der nicht stark hervortritt, aber auch nicht allzu flach ist. Ein gewölbter Mund nämlich deutet auf Unwissenheit, Geschwätzigkeit und Kraft, der flache hingegen auf Schwäche und Kleinmut. Daher lobe ich einen mittleren Zustand zwischen beiden. Ein kleiner Mund gleicht dem Mund von Weibern. Ein breiter Mund mit dicken Lippen zeigt Freßlust und Gefräßigkeit an, wobei sein Besitzer zugleich ungerecht und höchst gottlos ist. Hier liegt ja Ähnlichkeit mit dem Maul von Seekrokodilen vor. Beobachtet man aber, daß Mund und Zähne sozusagen hervorstehen, besteht Ähnlichkeit mit dem Maul von Hunden, und es sind dies Zeichen eines Verächtlichen und von Leuten, die Streit und Schmähreden lieben.

Erscheinen Kiefer und Lippen dick und runzlig, dann sprich von Betrügerei, schlechtem Charakter und niedriger Denkart, denn es besteht Ähnlichkeit mit Schweinen. Wenn die Oberlippe auf der unteren „reitet“, schreibe dem Mann vieles Nachdenken zu. Ragt jedoch die Unterlippe vor, traue <dem Besitzer> Gottesfurcht und Streben nach Redlichkeit zu. Ein kleiner, hervorstehender Mund weist auf Unrecht, Schlechtigkeit und Mordlust hin. Ebenso wenig lobe ich einen eingezogenen Mund, der sozusagen tief liegt. (228) Dies ist nämlich ein Zeichen für Schlechtigkeit, Neid, Mordlust und Geilheit. Ich meinerseits lobe einen maßvoll gebildeten Mund.

Kapitel XXVI. <Physiognomik der Nase>.

Eine dünne Nasenspitze weist auf heftigen Jähzorn. Eine herabgedrückte, fette Nasenspitze deutet auf Spottsucht ihres Besitzers. Eine dicke, lange, runde, kräftige Nase beweist Stärke, Tatkraft und Hochherzigkeit, wie man sie im Charakter von Hunden und Löwen vorfindet. Ist die Nase lang und dünn, so daß sie vogelartig aussieht, dann schreibe <dem Mann> alle weiteren Eigenschaften von Vögeln zu. Siehst du, daß die Nase gerade und sanft in die Stirn übergeht, lobe ihren Herrn und bescheinige ihm Stärke, moralisch einwandfreie Denkart und  Kenntnisse. Dem Gegenstück zu dieser Nase, die der Frauennase ähnelt, traue nur wenig Einsicht und Wissen zu ... Nicht im geringsten lobe mir eine kurze und kleine Nase, denn sie deutet auf Dieberei und niedere Gesinnung. Eine krumme Nase weist auf starkes Nachdenken hin. Eine Geiernase … und stumpf verrät Hurerei und Hang zur Sinnlichkeit. Sind die Nasenlöcher rund und breit, schließe auf Dummheit. Eine feste Nase weist auf Tüchtigkeit und Nachdenken. (230)

Kapitel XXVII. Deutung von Zeichen an der Stirn und am Bereich zwischen den Augen.

Eine enge Stirn bezeugt Mangel an Einsicht. Eine breite Stirn lobe ich nicht, denn ihre Besitzer sind strohdumm und faul. Eine hohe Stirn weist auf vieles Wissen und Beweglichkeit <des Geistes>. Ich lobe auch keineswegs eine niedere Stirn, zeigt sie doch Schwäche an, lobe auch nicht eine vorstehende und runde Stirn, weil sie Schamlosigkeit und mangelnden Eifer verrät. Eine rauhe, harte Stirn, an der es keine hervortretende Stelle gibt, die jedoch auch nicht gleichmäßig ist, zeugt von Betrug, Hinterlist und Gottlosigkeit; manchmal ist ihr Besitzer auch dumm und blöde. Hingegen lobe ich eine ausgeglichene Stirn, die zum Gesicht ihres Besitzers paßt und die im Verhältnis zu ihm weder zu groß noch zu klein und dabei rechteckig ist. Eine solche Stirn muß ich loben; man wird nämlich finden, daß ihr Besitzer klug, scharfsinnig, ein hervorragender Denker, tatkräftig, hochstrebend und hochherzig ist. Wenn du siehst, daß bei jemand die Stelle zwischen den Augenbrauen nicht eben ist, schreibe ihm Mangel an Überlegung und Klugheit zu. Ist aber bei jemand die Stelle zwischen den Augenbrauen straff, vermute bei ihm ein gemächliches Leben. Starkes Fleisch an einer zugleich ein wenig vorstehenden Stirn weist auf Nachdenken, Planung und auf Leute hin, die sich eifrig mit Geschäften befassen. (232)

Kapitel XXVIII. Physiognomik der Zeichen an Gesicht und Wangen.

Sind die Wangen sehr fleischig, zeigt dies Trunksucht und Trägheit an. Sind sie schmal, sieh darin einen Hinweis auf Betrügerei und niedere Gesinnung. Wenn jemand große Backenknochen hat, dann schließe auf Neid und Frechheit, besonders bei weiterem Abstand von den Augen. Bei runden Wangen vermute Hinterlist, verbunden mit Feigheit. Länglichen Wangen schreibe Geschwätz über unnützes Zeug und eine freche Art zu. Ist ein Gesicht sehr fleischig, zeigt dies, daß einer sich wie ein Halbwüchsiger aufführt und Bequemlichkeit liebt. Ist ein Gesicht etwas mager, zeugt dies von Nachdenken, Beharrlichkeit und Hinterlist. Einem kleinen Gesicht schreibe kleine Unternehmungen zu, einem großen nur mühsame geistige Beweglichkeit sowie Unbelehrbarkeit. Wenn sich in einem grimmigen Gesicht ein Zucken der Lippen und des Bereichs zwischen Augen und Wangen zeigt, dann sprich von Dummheit, Dämlichkeit, Tollheit. Stellt man die gleichen Zeichen an einem schönen, fröhlichen Antlitz fest, sieh darin einen Trieb zu Hurerei und heftigen Begierden. (234)

Kapitel XXIX. Die Ohren und ihre Zeichen.

Große Ohren weisen auf Leichtsinn in Geschäften; kleine Ohren verraten Treulosigkeit und verwerfliches geheimes Treiben. Sind die Ohren aber sehr klein, sozusagen wie abgeschnitten, zeigen sie Dummheit und Blödigkeit an. Eine maßvolle, wohl proportionierte Form des Ohres bezeugt hohe Aufmerksamkeit in Geschäften und Körperkraft. Gleichen die Ohren sozusagen zwei Flügeln, bedeutet dies Wissen und Einsicht. Fehlt es an dieser Eigenschaft, … denke an Neid und starke, eingefleischte Bosheit.

Kapitel XXX. Deutung von Merkmalen am Haupt.

Ausgeprägte Kleinheit des Hauptes verrät Mangel an Einsicht und Wissen. Ein großes Haupt deutet auf erhabenes Streben, Intelligenz und Scharfblick. Siehst du einen wohl  proportionierten Kopf, der weder klein noch groß ist, schreibe ihm Klugheit, Scharfblick, Wissen und sittlichen Ernst … zu. Ein sehr großer Kopf aber bezeichnet einen Mangel an Wissen, Erkenntniskraft und Wißbegier. Ein schiefer Kopf weist auf Schamlosigkeit … und Zügellosigkeit. Wenn du am Haupt den Hinterkopf irgendwie eingedrückt siehst, (236) ziehe daraus den Schluß, daß so einer, wenn er etwas will, ohne Beratung und Überlegung handeln wird. Sieht man seitlich am Kopf eine Art von Ausbeulung, dann sprich von Unanständigkeit und Hinterlist. Wenn du bei ein und demselben Menschen eine Abflachung <am Kopf> und in deren Mitte eine Vertiefung siehst und dazu ein weites, volles Hinterhaupt, wobei der Kopf gerade gehalten wird, versäume ja kein einziges Lob, mit dem du Leute bedenkst, die sich durch solche Eigenschaften auszeichnen.

Kapitel XXXI. Über die Völker der Welt.

Ich will nun über die Haut-Farbe, über das Haar und seine Färbung und die Art des Ganges reden <und sage dir>, daß es hier nichts gibt, was nicht in dein Fach gehört. Zeichen und Merkmal dieser Lehre ist es, daß du stets, wenn du auf Grund dieser Hinweise über ein Volk und eine Nation der Welt urteilst, dein Urteil zutreffen wird. Du wirst aber finden, daß manches Zeichen von Verderb bei <manchen> Völkern aufkam und sie zugrunde richtete, auch,  daß andererseits Zeichen guter Eigenschaften bei anderen auftraten und sie zum Guten führten. Zum Beispiel wirst du etwa bei den Ägyptern große Kenntnis und Einsicht in Wissenschaften kaum vorfinden, wirst aber sehen, daß bei den Makedoniern Einsicht weit verbreitet ist. Friedensliebe aber und Streben nach Genuß wirst du bei den Völkern Phoinikiens und Kilikiens finden. (238) Endlich wirst du sehen, daß die Stämme der Skythen verräterisch und schurkisch sind. Wenn wir <dann> alle Einzelmerkmale beschrieben haben, wirst du die Eigenheiten der Völker, ihrer Hautfarbe und Haare kennen.

Kapitel XXXII. <Deutende Beschreibung der> Gestalt von Nordvölkern.

Wisse: Die Bewohner der Nordgegend sind großgewachsen, haben weiße Haut, rote Haare, blaue Augen, rauhe Haut, dicke Schenkel, feste und wohlgenährte Körper, weiches Fleisch und riesige Bäuche; sie sind äußerst jähzornig und fassen überstürzte Beschlüsse, sind zudem  unbesonnen, ehrlich und schwer von Begriff.

Kapitel XXXIII. <Deutende Beschreibung der> Gestalt von Südvölkern.

Du mußt wissen, daß die Einwohner der südlichen Zone schwarz sind, Kraushaar haben, schmale Fersen, dunkle Augen, schwarze Haare, wenig Fleisch, und daß sie oft gutmütig handeln, wobei sie einen gewandten Geist haben, gutes Gedächtnis … und Sinnlichkeit, viele Einfälle, Lügen, Habgier und Neigung zu Dieberei. (240)

Und weil der Süden dem Norden entgegengesetzt ist, wird über die Nordbewohner in gleicher Weise wie über die Südvölker geurteilt, aber gerade umgekehrt. Über Völker aber, die mitten  zwischen diesen zwei Zonen wohnen, sollst du entsprechend urteilen.

Kapitel XXXIV. Gestalt östlicher und westlicher Völker.

Über die Einwohner der östlichen und westlichen Gegend nun fälle ein Urteil, das in der Mitte zwischen beiden Urteilen über nördliche und südliche Völker liegt. Auch gibt es bei den westlichen Völkern große Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen. Die Einwohner nämlich von Seeküsten sind nach Gestalt und Aussehen völlig verschieden von den Bewohnern höher liegender Gegenden der gleichen Zone. Man wird nämlich bei jenen von ihnen, die nah am Meer wohnen, eine Ähnlichkeit mit Südvölkern finden, hingegen bei denen,   die höher wohnen, Ähnlichkeit mit Nordvölkern feststellen. So sind die Einwohner von Indien (Äthiopier) nicht sehr von den Bewohnern des Südens unterschieden, weil sie ganz nah am Meer wohnen und in ihrem Land nichts geschieht, was bei Nordvölkern vorkommt. Zudem sind bei ihnen Körper und Antlitz schön und ihr Wuchs harmonisch. Ebenso verhält es sich mit den Iberern, die in der Mitte zwischen Norden und Süden wohnen. Auch sie haben ein sehr ausgeglichenes Wesen, schönen Geist und schönes Gesicht. Der echteste Iberer aber von allen ist einer, der in jeder Hinsicht ausgeglichen ist. (242)

Kapitel XXXV. Über die Griechen und ihre unvermischte Art.

Ich will nun die Gestalt der Griechen beschreiben, ist doch ihre Art rein und kein anderer Stamm mit ihnen vermischt. Doch hat dieses Volk auch Mitbewohner in seinem Land, weil sich schon seit langem Fremde bei ihnen verbreitet haben; die Menschen gewannen ja die Griechen und ihr Land lieb oder schätzten die Griechen wegen deren anständigem Leben und ihrer maßvollen Art, auch wegen des gemäßigten Klimas, oder auch weil sie die literarische Kultur <der Griechen>, ihre schönen Sitten und Einrichtungen vorzogen. Jene Mit-Bewohner kamen von Argos, aus Korinth und von anderen Städten. Es hat aber ein echter Grieche einen hohen Wuchs, der in der Mitte zwischen lang und kurz, breit und schmal liegt; Gesicht und Miene sind schön, die Haut weiß und mit Rot vermischt. Auch ist <der Grieche> mäßig fleischig, hat mäßig lange Hände und Arme, ist aufmerksam, faßt rasch auf und hat ein weder kleines noch großes Haupt bei fleischigem und kräftigem Hals; das Haar ist weich, rötlich und bald lockig, bald glatt und gerade. Das Gesicht ist quadratisch, die Lippen sind schmal, die Nase gerade und nicht zu dick; die Augen sind feucht, blaugrau, sehr (244) beweglich und sehr hell. So sieht ein echter Grieche aus.

Kapitel XXXVI. <Erklärung der> Farbe des gesamten Körpers.

Dunkle Farbe weist auf Ängstlichkeit, stete Sorge, Niedergeschlagenheit; von dieser Art sind die Bewohner des Südens, etwa die Abessinier, Zigeuner, Ägypter und deren nächste Nachbarn. Ihre hübsche, weiß-rötliche Hautfarbe zeigt Verwegenheit und jähen Zorn an. Ist sie aber ganz weiß, deutet sie auf Schwächlichkeit. Rötliche Färbung von Antlitz und Körper weist auf Hinterlist und vieles Planen hin. Ist der Farbe einiges Gelb beigemischt, zeigt dies übles Wollen, auch Furcht und Ängstlichkeit an, es sei denn, die gelbe Färbung komme von einer Krankheit. Wenn man sieht, daß das Gelb ins Dunkle spielt, ohne daß Krankheit vorliegt, dann bedeutet dies Ängstlichkeit, Völlerei, vieles Geschwätz, Reizbarkeit und endloses Gerede. Leicht rötliche Färbung beweist große Intelligenz und Bildung.

Kapitel XXXVII. <Deutung von> Farbe und Zeichen der Brust.

Rötliche Farbe weist auf starke Neigung zum Zorn. Adern, die am Hals und an den Schläfen hervortreten, zeigen heftigen Zornmut an. Starke Rötung im Auge bedeutet Schamlosigkeit. (246)

Kapitel XXXVIII. Farbe und Zeichen des Gesichtes.

Wenn das Gesicht im Gegensatz zum übrigen Körper errötet, schreibe seinem Besitzer große Schamhaftigkeit zu. Sind allein die Wangen rot, weisen sie auf Hang zu Trunkenheit und Wein.

Kapitel XXXIX. Farbe und Zeichen des Auges.

Ist das Auge leicht gerötet und trocken, deutet es auf heftigen Zorn. Wenn sich aber Feuchte mit der Rötung verbindet, weist dies auf Trunksucht und Liebe zum Wein. Blaue Farbe im Auge zeigt Mangel an Bildung und starres Wesen an. Ist das Auge dunkel, bedeutet dies milde Artung. Die Augen eines wilden und grausamen Tieres hingegen sind blau. Die Augen eines zahmen Tieres, das freundliche Art hat, sind dunkel gefärbt. Blaue Augen, die ins Weiße spielen, sprechen für Ängstlichkeit und Furcht. Jemand, dessen Augen gallenfarbig aussehen, hat einen schwierigen, plumpen Charakter. Hat einer Augen, die grünlich sind wie Öl, dann schreibe ihm gewaltige Kraft zu. Ein sehr dunkles Auge verät Ängstlichkeit und Hinterlist. Ist das Auge aber rötlich, (248) weist es auf Kraft und Seelenstärke. Solchen Augen, die schillern, wobei Ähnlichkeit mit der Färbung von Marmor besteht, schreibe Hurerei und Ausschweifungen zu. Deshalb ähneln sie auch den Augen von Ziegen. Augen, denen Rot beigemischt ist, weisen auf Schamlosigkeit und Dreistigkeit hin, weil sie den Augen von Hunden ähneln. Augen, die eher blaß sind, wobei weitere Farben mitspielen, verraten Angst und Furcht. Augen, die sehr glänzen und lebhaft sind, weisen auf Frauenliebe und Geschlechtslust hin; solche Augen wird man nämlich bei Hähnen finden. Du wirst also gut daran tun, deine Methode nach meinen Vorschriften auszurichten.

Kapitel XL. Haare und ihre Zeichen.

Du magst wissen, daß gekräuselte Haare Ängstlichkeit und Habgier bedeuten, und solche Beschaffenheit der Haare wird man bei manchen Völkern und Gegenden vorfinden. Langes, gerades Haar nun bedeutet geringe Einsicht und Klugheit, doch lobe ich Haare, die weder besonders lang noch kraus sind, sondern die gute Mitte einhalten. Sehr dichtes Haar aber erinnert an ein wildes Tier; spärliches und schütteres Haar hingegen weist auf Hinterlist und Verworfenheit im Handeln. Ich jedenfalls ziehe das Haar vor, das die Mitte zwischen beiden hält. Weiches Haar sieht man bei Frauen, und dementsprechend urteile. (250) In gleicher Weise wirst du bei Vögeln und Vierfüßlern, die weiches Haar und weiche Flügel haben, solche finden, die bei Menschen wohnen und sich an sie gewöhnen, da ihr Zornmut gemildert ist und keine Feindschaft mehr besteht. Eine solche Eigenschaft ist der gegenteiligen vorzuziehen, wenn ich auch ein mittleres Haar lobe, das sich weich anfühlt und nicht zu weich und nicht zu rauh ist.

Kapitel XLI. Verschiedene Haarfarben und ihre Bedeutung.

Nun lehre ich dich, daß schwarzes Haar ein Zeichen von Hinterlist und Habgier ist. Rotes Haar, das ins Weiße spielt, wie es sich bei Slawen und Türken findet, zeigt Mangel an Einsicht, geringe Bildung und üble Sitten an, und darauf mußt du sorgsam achten. Ein Haar hingegen, das leicht ins Gelbe spielt, lobe ich und schreibe ihm Bildung, Erkenntnis, Ruhe und gute künstlerische Ausbildung zu; diese Art von Haaren ist es, die Menschen ziert. Ganz rotes Haar jedoch … kann ich nicht loben, und ebenso wenig seinen Besitzer. Oft schon sah ich Leute mit feuerroten Haaren und mit einem Charakter wie dem wilder Tiere, und sie zeigten Schamlosigkeit und heftige Begierden. (252)

Kapitel XLII. Reichlicher Haarwuchs an den <Unter->Schenkeln und seine Bedeutung.

Reichlicher und starker Haarwuchs an den Unterschenkeln erinnert an Tiere, verweist auch auf einen Mangel an Wissen und auf schlechten Charakter.

Kapitel XLIII. Haarwuchs an Lenden und Oberschenkeln und seine Bedeutung.

Reichlicher Haarwuchs an Oberschenkeln und Lenden, nicht aber am sonstigen Körper, zeigt  heftigen Geschlechtstrieb an, erinnert dies doch an das Fell eines Bockes.

Kapitel XLIV. Haarwuchs an Brust und Bauch und seine Bedeutung.

Starker Haarwuchs an Brust und Bauch weist auf Leichtsinn, leidenschaftliche Art und Unzuverlässigkeit. Ist aber der Haarwuchs besonders an der Brust so stark, daß er diese ganz  bedeckt, weist er auf scharfsinniges Denken und hohen Mut hin.

Kapitel XLV. Haarwuchs an den Schulterblättern und am Raum zwischen ihnen.

Wenn an den Schultern und am Raum zwischen ihnen viele Haare wachsen, gehört dies zu den Zeichen, die auf ein dauerndes Hin und Her weisen, (254) weil es auch zu den Zeichen von Vögeln gehört, die hin und her fliegen. Ihr Flug verläuft ja nicht stets in gleicher Richtung.  

Kapitel XLVI. Haarwuchs am Körper und seine Zeichen.

Ist der Haarwuchs am ganzen Körper üppig und dicht, weist dies auf Torheit und verwerfliche Gesinnung.

Kapitel XLVII. Dichter Haarwuchs vom Hals bis zum Haupt.

Wächst dichtes Haar zwischen Hals und Haupt, zeigt dies Tüchtigkeit, Kraft und hohen Sinn an, ähnelt es doch der Mähne eines Löwen. Hängt das Haar zwischen den Schläfen auf die Stirn herab, bedeutet dies hohen Sinn, entspricht es doch dem Aussehen eines Pferdes. Ist das Haar jedoch gerade und aufgerichtet, weist dies auf Ängstlichkeit, übles Streben und verwerflichen Sinn.

Kapitel XLVIII. Haar der Augenbrauen und seine Bedeutung.

Ist das Haar an den Augenbrauen so lang, daß es an die Seiten der Stirn und bis zu den Schläfen reicht, zeigt (256) dies starke Begierden und eine Schweinsnatur an. Ist das Haar an den Augenbrauen sehr dicht, weist es auf Niedergeschlagenheit und Traurigkeit hin. Ich jedenfalls ziehe rechtes Maß unter allen Umständen vor.

Kapitel XLIX. Was die Bewegung einzelner Körperglieder anzeigt.

Es gibt Leute, die mit Schlauheit und Geschick Formen annehmen, die ihrem Wesen nicht entsprechen, sondern Zeichen für verstellte und gekünstelte Art sind; ich will dir diese Zeichen vorführen, damit du die Sache so durchschaust.

Du mußt wissen, daß es drei Hauptarten von Verstellung gibt. Dazu gehört (1.) der Gebrauch einer Perücke sowie das Abschneiden oder Verbergen des natürlich gewachsenen Haares. Man kann allerdings auch auf andere Art seine Gestalt verändern, etwa um beim Fürsten Zutritt zu finden oder Umgang mit der Adelsgesellschaft zu erreichen, könnte auch die Rolle von Demütigen und Geringen oder auch von Großmächtigen spielen. Auch spielen sie den Niedergeschlagenen oder Fröhlichen, damit die Gesellschaft ihnen die Rolle, die sie heucheln, abnimmt und sie selbst ihre Zwecke erreichen.

Es gibt andere solche Zeichen (2.), die nicht das Spielen einer Rolle erfordern, sondern in Schmuck und schöner Kleidung bestehen, mit denen sich Menschen herausputzen, um sich bei Männern und Weibern (258) beliebt zu machen und ihnen zu gefallen. Andere Leute stellen auf diese Art Knaben nach; wieder andere, die die Begierden von Weibern haben,  Lüstlinge etwa, gebrauchen wie Dirnen Toilettenkünste, um Männer zu fangen.

Die dritte Art (3.), die der Künstelei, gilt weder dem Auftreten noch dem Schmuck. Zu dieser Sorte gehört ein Mann, der hochfahrend daherredet (damit man ihm Stolz zuschreibt) oder auch mutig (so daß er auch für mutig gilt). Auch gibt es welche, die zu diesem Zweck stark ausschreiten, den Blick schärfen und energisch sprechen; manche geben sich als harte Männer, obschon sie empfindlich sind; dies ist das Zeichen, das sie und ihre <eigentliche> Natur enthüllt, wenn man sie beobachtet und ihre Physiognomie erforscht. Ihre Zeichen sind: Körperliches Gleichmaß, sanfter Blick, lockerer Nacken, geschmeidige Gelenke. Du wirst diese Leute sowohl aus solchen Zeichen wie auch bei Anlässen von Angst und Freude erkennen; wenn solche Ereignisse plötzlich über sie kommen, fällt ihre Heuchelei von ihnen ab, und die eigentliche Natur kommt zum Vorschein. Zu dieser Sorte gehören jene, die Farbe und Aussehen durch <künstliche> Mittel verändern. Also mußt du diese Praktiken durch Beobachtung von Zeichen und fachkundige Physiognomik erkennen, wie ich es dir erklärt habe. (260)

Kapitel L. Deutung der Zeichen bei Gang und Bewegung.

Du mußt wissen, daß raumgreifender Gang Selbstvertrauen, große Ehrlichkeit, Tatkraft, hohen Sinn und Beherrschung im Zorn anzeigt; wenn solche Männer an Königshöfe kommen, haben sie großen Erfolg. Verhaltener Schritt zeigt an, daß so jemand ein begonnenes Unternehmen kaum je zu Ende führt. Zudem weist dieses Verhalten auch auf Neigung zu Zorn und einen üblen Charakter. Wenn manche kleine Schritte machen, wirst du dabei auch Murmeln und Hersagen von Zaubersprüchen hören und wirst bei manchen an ihrem Gehabe und Wesen Ähnlichkeit mit Dieben erkennen. Siehst du einen Mann, der seine Glieder schnell bewegt, wobei er aufrecht bleibt, dann schreibe ihm Raschheit in Entschluß und Überlegung zu. Wenn einer nämlich etwas ins Werk setzt, dann bewegt er sich ganz so wie jener. Siehst du aber, daß jemand seine Schritte beschleunigt, dabei aber zu Boden sieht und sich und seine Bewegungen zurückhält, dann schreibe ihm Furchtsamkeit, Hartnäckigkeit, finstere Pläne und schlechten Charakter zu. Verbindet sich rascher Schritt mit unstet schweifendem und wirrem Blick, wobei einer häufig den Kopf bewegt und heftig atmet, dann zeigt dies einen leidenschaftlichen Menschen, den sein Gewissen wegen einer Untat quält. Siehst du aber, daß er langsam und zögerlich daherkommt, dann schreibe ihm (262) Gier nach Gewinn aus Übeltaten zu, denn sein Tun ist böse, und er selbst ist wegen seiner Taten ängstlich und furchtsam.

Zeigt sich bei jemand gewichtiger und langsamer Gang, schreibe ihm einen stumpfen Geist und Mühe beim Auffassen zu, es sei denn, du findest auch günstige Zeichen an ihm, die jenen Nachteil ganz oder teilweise aufwiegen. Zögert einer beim Gehen, obschon er den Weg, den er gehen will, kennt, und siehst du, daß er sich weder nach rechts noch nach links wendet und  den Kopf hochreckt, dann traue ihm Ehebruch, Prahlerei und Hartherzigkeit zu. Erkennst du aber, daß einer die Hände herabhängen läßt, frei einhergeht, die Schultern bewegt und sich ein wenig vorbeugt, dann schreibe ihm hohen Sinn, Kühnheit und Rüstigkeit zu. So nämlich bewegt sich ein Löwe, wenn er einherschreitet. Siehst du aber, daß einer beim Gehen die Schultern wiegt, sein Haupt häufig aufrichtet und sich gerade hält, dann schreibe ihm Aufrührerei und Kühnheit im Handeln zu, auch mangelnden Willen, sich mit anderen zu beraten. So nämlich kommt ein Pferd daher. Siehst du, daß sich einer beim Gehen in den Hüften wiegt und mit den Armen schlenkert, dann vermute bei ihm Hurerei. So nämlich kommt eine Mannshure daher. Dies gilt ebenso, wenn jemand mit derselben Statur sich beim Gehen auf die rechte Seite neigt. Beugt sich aber jemand nach links, schreibe ihm Unwissenheit und Dummheit zu. Wenn einer sich beim Gehen <in den Hüften> dreht, dann halte ihn für einen Schmeichler und Süßholzraspler, denn (264) dies gehört zum Wesen eines Hundes, der auf dieselbe Weise mit dem Schwanz wedelt und den Sanften spielt. Was aber die Bewegung der Augen betrifft, habe ich schon erwähnt.

Kapitel LI. Physiognomik der Atmung.

Wenn du einen Menschen siehst, der ruhig atmet, so daß man kaum bemerkt, daß er atmet, dann schreibe ihm ungemeine Sorgfalt zu. Atmet er ganz ungewöhnlich ruhig, so daß Ähnlichkeit mit einem stillen, unbewegten Wasser besteht, dann mußt du wissen, daß er Kummer hat. Schüttelt er dazu noch das Haupt und seufzt manchmal tief, dann bereut er offenbar etwas, was er angestellt oder etwas, was er gesagt hat, und möchte alles ungeschehen machen. Beobachtet man ein ähnliches Zeichen an seinem Auge, weiß man, daß er eine Untat vorhat und plant. Siehst du aber einen sanften und langen Atem, so daß man kaum etwas hört, bescheinige <dem Mann> Eifer im Guten. Siehst du jedoch heftiges Atmen, ohne daß einer läuft oder asthmatisch ist, dann schreibe ihm folgendes zu: Jähzorn, Unüberlegtheit, schlimme Denkart, wirres Gerede. Sieht man aber, daß einer hastig ein- und ausatmet, dann sprich von Ängstlichkeit und geringer Tatkraft und scheue nicht den Vergleich mit einem Mannweib, wenn du dies durch ein weiteres Zeichen bestätigt siehst. (266)

Kapitel LII. Physiognomik der Stimme.

Wenn du eine tiefe und schwache Stimme hörst, dann bescheinige <dem Sprecher> erfolgloses Studium, fehlende Denkkraft, Untaten, schlimme Anlage zu Jähzorn und Freßgier. Siehst du aber, wie einer den Mund aufreißt und mit der Stimme meckert wie ein Bock, dann glaube, daß es ihm an Energie und an Vorsicht im Handeln (Selbstvertrauen?) fehlt. Spricht einer aber mit tiefer Stimme, … zeigt dies ständige Unruhe, Düsterkeit und nagende Sorge. Klingt die Stimme hoch und hell, schließe sicher auf Betrügerei. Hörst du eine helle, zugleich weiche Stimme, denke getrost, daß es hier um zweifelhafte Zugehörigkeit zu einem Geschlecht geht. Vernimmst du eine hohle, tiefe und tönende Stimme, sprich von Tatkraft, hoher Kühnheit, Aufrichtigkeit und Wahrheitsliebe. Ist die Stimme schlaff und tief, denke an Schwäche, Zartheit und Putzsucht. Tönt die Stimme hoch und zwitschert der Besitzer beim Sprechen wie ein Vogel, dann schließe auf Hurerei, verbunden mit Schwäche und Unbeherrschtheit. Ist die Stimme schwach und siehst du, daß ihr Besitzer nicht nur schwach, sondern bedrückt wie ein Bekümmerter spricht, dann denke an Gewinnsucht und dauernde  Betrübnis. Hörst du aber, daß einer schnarrt, (268) so als ob die Stimme gerade unter der Nase hervorkäme, dann sprich von Hang zur Lüge, argem Neid und vom heftigen Wunsch, den Gefährten zu schaden. Kommt dann noch Schwäche der Stimme hinzu, erweitere dein Urteil über diesen Menschen um heftigen Jähzorn, Hang zu Streit und Zank. Ist die Stimme jedoch schrill und schwach, dann schreibe dem Besitzer Mitleid, Ängstlichkeit und Habgier (Mittellosigkeit?) zu. Tiefes, rasches Sprechen weist auf törichtes, unkluges Wesen.

Den Gipfel der Lehre aber bildet es für dich und berichtigt dein Urteil über sie, wenn du jeweils die Stimme eines Menschen mit der Stimme eines Tieres vergleichst, dessen Stimme der des Menschen ähnelt. Man wird nämlich unter den Menschen <manchmal> einen finden, dessen Stimme der eines Hundes oder eines Affen gleicht; man wird dann merken, daß solche Leute zu heftigem Jähzorn neigen, und zwar auf Grund einer starken Ähnlichkeit, die sie mit einem Hund oder Affen haben. Anderer Leute Stimme ähnelt der von Eses und Pferd, bei wieder anderen klingt die Stimme wie die eines Bären, bei manchen auch wie die eines Schafbocks. Daher wird man jedem Menschen das Wesen jenes Tieres zuschreiben, dessen Stimme der seinen gleicht.

Kapitel LIII. Zeichen eines starken, kühnen Mannes.

Zeichen eines starken und kühnen Mannes sind folgende: Regelmäßiger Körperbau, aufrechte Haltung; an Händen und Füßen sieht man gerade und kräftige Finger und Zehen: (270) die Knochen sind stark; er besitzt hohe Hüften (?), hat rauhes Haar, und sein Leib ist breit und vorgewölbt (?); die Schultern sind breit mit weitem Abstand zwischen den Schulterblättern; die Brust ist breit und kräftig, das Gesäß eher mager und trocken. Die Kiefer (?) sind stark, Fleisch und Knochen sind großformatig, die Füße gleichmäßig und gerade. Das Antlitz ist zart, die Augen lebhaft und weder zu groß noch zu klein, weder zu weit geöffnet noch zugedrückt; die Augenbrauen sind nicht allzu ausgedehnt, die Stirn heiter, die Stimme wohltönend. … Einem, der solche Zeichen besitzt, schreibe Kühnheit und starken Geist zu.

Kapitel LIV. Zeichen eines ängstlichen und feigen Menschen.

Das Kennzeichen eines ängstlichen Menschen, will sagen einer unterlegenen und schwachen Natur, ist folgendes: Er hat weiches Haar, ist schlaff und unterwürfig, besitzt einen langen Hals, dunkle und schwärzliche Hautfarbe, trockene Augen, die nicht klar sind; er blinzelt häufig, atmet heftig. Seine Schenkel sind dürftig, der Rücken breit, die Brust schwach, die   Hände lang und die Stimme schwach und dünn. (272)

Kapitel LV. Zeichen eines Liebhabers der Literatur.

Ein Liebhaber der Literatur sieht so aus: Seine Gestalt ist regelmäßig und aufrecht, die Haut ist weiß mit Beimischung von Rot, das Haar ist schlicht und spielt ins Blonde, hängt herab, ist dabei nicht gekräuselt oder struppig. Der Leib ist mäßig groß, die Seiten gewichtig … Sein Leib hat weder zu viel noch zu wenig Fett, Waden und Schenkel sind voll und die Schienbeine kräftig; auch die Arme sind voll und kräftig, die Finger sind lang, die Abstände zwischen ihnen deutlich. Das Gesicht ist groß, nicht jedoch spitz, das Fleisch ist zart, nicht massig, die Augen sind feucht und graublau und strahlen gute Laune aus. 

Kapitel LVI. Zeichen eines Mannes, dem es an Eifer mangelt.

Zeichen eines Mannes, dem es an Eifer fehlt, der sich um nichts kümmert und fast kein Ziel hat, ist folgendes: Er hat sehr weiße oder sehr dunkle Hautfarbe, ist fleischig, hat einen vorstehenden Bauch und dicke Schenkel, (274) schmächtige Glieder, einen kurzen, dicken Hals, fleischige Wangen, ein rundes Gesicht, einen einfältigen und dabei zügellosen Blick.

Kapitel LVII. Zeichen eines unverschämten Menschen.

Es ist Zeichen eines unverschämten Menschen, die Augen stets aufzureißen und scharf zu blicken; seine Lider sind lang und verdreht, die Hände und Füße dick, und er sieht niemals hinter sich. Hände und Füße sind nach hinten gekehrt. Die Hautfarbe ähnelt dem Feuer. Die Stimme ist scharf, die Redeweise hastig. Diese Beobachtungen zeigten sich bei der Beschreibung eines Verbrechers mit üblem Charakter.  

Kapitel LVIII. Zeichen eines Mannes, der Schmuck und Putz liebt.

So einer muß eine starke Stimme haben, gewichtig daherkommen, die Augenlider maßvoll bewegen, weder zu rasch noch zu schwerfällig; seine Augen sind blaugrau, der Blick nicht sehr scharf, die Augen feucht und ziemlich gerötet. (276)

Kapitel LIX. Kennzeichen eines verständigen und klugen Mannes.

Zeichen eines solchen Mannes ist eine fleischige Stirn, ein fleischiges Gesicht, das so aussieht, als ob er eben erst aus dem Schlaf erwache; seine Augen sind feucht und leuchtend, der Blick nicht scharf, und er ist ruhig und gelassen.

Kapitel LX. Zeichen eines niedergeschlagenen und traurigen Mannes.

Als Zeichen siehst du an ihm ein gleichsam abgeschundenes Gesicht. Die Augen stehen eng beisammen, die Stirn ist schräg, die Augenbrauen sind kraus (?), der Blick ist wild, die Lider zugedrückt, und er selbst ist umgetrieben wie Leute, die nichts zu tun haben.

Kapitel LXI. Zeichen eines weibischen Lüstlings.

Zeichen eines solchen ist, daß man sieht, er habe einen feuchten Blick, blitze mit den Augen und bewege sie heftig; seine Stirn erscheine eng, Augenbrauen und Wangen seien ständig in Bewegung, der Hals geneigt; Rücken und Glieder bewege er dauernd, als ob alles an ihm locker sei. … (278)

Kapitel LXII. Zeichen eines friedlichen Mannes.

Als Zeichen eines solchen Mannes findet man ein fülliges Antlitz, üppiges, zartes und weiches Fleisch, ebenmäßigen Wuchs, gerade Glieder, gesenkte Augen, sanfte Bewegungen, eine klangvolle Stimme und lange Haare.

Kapitel LXIII. Zeichen eines Spötters.

Zeichen eines Spötters ist folgendes: Frischer Blick, leise Stimme, dünne Haut rings um die Augen; beim Gehen schlenkert er mit allen Gliedern.

Kapitel LXIV. Zeichen eines geldgierigen Menschen.

Seine Zeichen sind: Kleine Glieder, kleines Gesicht und kleine Augen; hastiger, etwas vorgebeugter Gang, scharfe Stimme, stark gerötete Haut. (280) Er hat, struppiges, dichtes Haar, das schwarz ist und borstig, dichtes Barthaar, dichtes Haar an den Schläfen, blitzende, graublaue Augen.

Kapitel LXV. Zeichen eines boshaften, beschränkten Menschen.

Zeichen eines boshaften und beschränkten Menschen ist es, daß er die Merkmale von Torheit und Verrücktheit an sich trägt, entsprechend den Ähnlichkeiten mit Tieren in seiner Natur. Wie nämlich manche Tiere friedlicher sind als andere, manche aber auch bösartiger als die übrigen, so ist auch bei den Menschen ein erheblicher Teil der Männer böswilliger als der andere. … Zum Zeichen eines Beschränkten gehört es, daß er schwache Knie hat und dauernd sich selbst und seine Körperglieder betrachtet, eine dünne, spitze und lange Zunge hat und den Kopf heftig bewegt.

Kapitel LXVI. Zeichen eines verbitterten Mannes.

Sein Zeichen besteht darin, daß er dunkelblond erscheint, daß er einen dürren, doch schön gewachsenen Körper besitzt, (282) und trockene Augen hat, wobei der Raum zwischen den Augen verengt ist. Er ist ein Großsprecher, atmet häufig und heftig, schlägt oft die Hände zusammen, reibt eine Hand mit der anderen, stampft und schlägt auch oft mit dem Fuß auf den Boden und bewegt sich rasch.

Kapitel LXVII. Zeichen eines Mannes, dessen Lebensende ohne sichtbare Krankheit nahte.

Sein Kennzeichen: Er hat tief liegende Augen, bleierne Hautfarbe, ist ruhelos und hat kalte Füße und Hände. Dies ist sein Zeichen.

Kapitel LXVIII. Zeichen eines Menschen, der nicht ahnt, daß ihm Unheil und Kummer  drohen.

Du mußt folgendes wissen: Ich weilte in Pamphylien und in der Stadt Perge. Außerhalb des Ortes lag ein Tempel, Artemision genannt, dessen Größe, Schönheit und Bau Bewunderung erregten, weshalb auch fromme Menschen aus fernen Gegenden häufig zu ihm wallfahrteten. In diesem Land ist die Frauenkleidung so gestaltet, daß die Frauen ein weißes und purpurnes Kleid und alle weiteren Kleider in diesen Farben anziehen, auch, daß jede Frau ein großes Obergewand trägt, das alle Teile des Körpers umhüllt und (284) nichts außer Augen und Nase sichtbar werden läßt. Dort sah ich unter den Frauen eine, die den Tempel betrat und das Zeichen eines ungeheuren Unheils trug, das bald über sie hereinzubrechen drohte. Die Umstehenden, die ich darauf hinwies, fragten höchst verwundert, wie ich über jene Frau urteilen konnte, da ich nur ihre Augen und die Nasenspitze sah und ausrief: „Welches Unheil wird bald über diese Frau hereinbrechen!“ Das Zeichen aber bestand in Folgendem: Ihre Nasenflügel und die Nasenspitze waren dunkel geworden und flatterten dabei, die Augen waren weit aufgerissen und gelblich verfärbt; auch bewegte sie heftig ihren Kopf und schlenkerte beim Gehen mit den Füßen, als ob sie schmerzten. Solche Zeichen wird man nur bei einem Wahnsinnigen sehen und wird gewiß urteilen, daß ihm Unheil droht. Und während ich noch jene Frau anstarrte, erschien plötzlich eine andere Frau, die ihr, noch im Lauf, jammernd zurief, ihre innig geliebte und einzige Tochter sei in den Hausbrunnen gefallen und ertrunken. Auf diese Nachricht hin riß sich das Weib Schleier, Umhang und Halsband ab, riß ihr Busentuch auf, warf alles von sich, stand ganz entblößt da und rannte jammernd geradewegs fort, wobei sie rief: „Ach, meine Tochter!“ Sogar das Schamtuch, das sie unter den Kleidern trug, eine ägyptische oder griechische Arbeit, war ihr herabgefallen, so daß die Leute zusammenliefen, um ihr irgend ein Kleidungsstück aus jenem Tempel zu bringen und sie damit zu bedecken. (286)

Kapitel LXIX. Kennzeichen von Frauen, die sich in fremde Männer verlieben.

Man muß wissen, daß ich bei einem Aufenthalt in der Stadt Samos mit ein paar anderen Einwohnern der Stadt zu einer Hochzeit eingeladen wurde. Als man nun die Braut dem Gatten zuführen wollte, machte sich die Familie der Braut auf den Weg zum Haus des Gatten. Dort wurden alle mit Speise und Trank erquickt und kamen dann zurück, wobei sie den Bräutigam mit sich führten. Dieser trug einen Kranz auf dem Haupt, und die Begleiter hielten Basilikum-Büschel in den Händen; man trug Fackeln vor ihnen her, und auch Musiker nicht fehlen durften, bis man endlich mit der Braut zum Haus des Bräutigams gelangte.

Ich hatte den Hochzeitszug begleitet und sagte endlich zu den Leuten, die sonst noch um mich herumstanden: „Die Braut“, sagte ich, „wird geraubt werden, bevor sie zum Haus ihres Gatten kommt, und sicher wird sie noch in dieser Nacht ein anderer heiraten, nicht jedoch der Bräutigam, dem man sie eben zuführt.“  Sodann wartete ich ständig darauf, daß sich meine Aussage bestätigen würde, bis wir am Haus des Bräutigams ankamen. Dort fielen bewaffnete Banditen, die an der Haustür aufgestellt waren, über uns her. Sie stürmten auf die Braut los und erschlugen jeden, den sie erreichen konnten. Als nun die Menge auseinander lief, befand auch ich mich unter den Fliehenden, nachdem ich Zeuge des Unglücks der Hochzeitsgäste geworden war. Die Räuber bemächtigten sich nun der Braut und machten sich mit ihr davon. Später erfuhr ich von Leuten, die es erzählten, die Entführung sei mit Einverständnis der Braut erfolgt.

Nun will ich dir die Zeichen erklären, aufgrund derer ich mein Urteil gefällt hatte. (288) Ich sah, wie die Braut einherschritt, begleitet von einer Menschenmenge. Und als ich unter den Begleitern und Freunden des Bräutigams, die mit ihm gekommen waren, einen jungen Mann zur linken Seite der Braut sah, beobachtete ich genau sein Gesicht, und siehe da! Er unterdrückt ein Lachen und sieht mit feuchten Augen scharf um sich her. Und als ich näher an ihn heranrtrat, höre ich ihn tief atmen und sehe, daß seine Kleider schweißgetränkt sind, die Nase zuckt, und daß sein Antlitz bald bleich und bald rot erscheint, natürlich, weil ihn aus Furcht vor der Schandtat Zittern erfaßt hatte. Ich beobachtete auch die Braut, deren Augen feucht waren; sie blickte scharf um sich, und man sah ihr den Schmerz an. Nach diesen Wahrnehmungen urteilte ich wie berichtet.

Einmal war ich auch in Smyrna, traf eine Hochzeitsfeier an und wurde dazu eingeladen. Während wir nun die Braut unter großer Begleitung dem Bräutigam zuführten, kam es mir bei, ein wenig Physiognomik zu treiben. Dann wandte ich mich einigen zu, die um mich  standen, und bemerkte: „Diese Braut wird noch heute Nacht entführt und ist schon vermählt, bevor sie zu ihrem Verlobten kommt.“ Wir zogen nun mit der Braut weiter, bis sie das Haus ihres Verlobten betrat. Doch hielten sich bereits, wie geplant, Spione, von den Entführern zu ihrer Überwachung entsandt, in ihrer Nähe. Sobald die Braut einmal das Haus verließ, angeblich, um den Leib zu erleichtern, stürzten sich die Entführer auf sie und brachten sie in aller Eile fort, wobei die Nacht den Raub begünstigte.

Nun will ich dir die Zeichen erklären, auf Grund derer ich geurteilt hatte. Ich sah, wie ein junger Mann aus jener Stadt neben dem Verlobten der Braut einherging. Ich beobachtete sein Antlitz und sah, daß seine Augen grün waren, hörte auch, wie er sprach, und achtete  schließlich auf seinen Gang, seine Gestalt und sein Verhalten. (290) Ich erkannte nämlich, daß er wegen der Untat, die er begehen wollte, in schräger Haltung daherkam und aussah wie finster entschlossen. So waren seine Glieder auch locker, und er sprach und bewegte sich hastig, eben wie einer, der etwas im Sinn hat. So oft er jedoch den Verlobten der Braut ansah, trat Wut in seinen Blick. Und wenn ich auf die Braut sah, so lachte sie ohne Heiterkeit, ganz wie jemand, der trauert, aber den Heiteren spielt, ohne heiter zu sein. Als ich solches an ihrem  Antlitz erkannt hatte, wandte ich mich den jungen Leuten zu, die herumstanden, um zu sehen, ob ich unter ihnen einen finden könnte, der jenem an Gesichtsausdruck und Haltung ähnlich sei. Nachdem ich aber an keinem von ihnen etwas Derartiges sah, blieb ich bei meinem Urteil.

Kapitel LXX. Zeichen eines Mannes, der den tief Unglücklichen spielt, bevor ihn überhaupt ein Unheil traf.

Du mußt wissen: Die physiognomische Wissenschaft kann unter den Fächern, die ich dir nannte, nichts Größeres erreichen als die Erkenntnis vergangener und künftiger Ereignisse, und dies in der Weise, daß sie Dinge, von denen man behauptet, sie seien geschehen, obschon  sie es nicht sind, als Fälschung aufdeckt und entkräftet. Als ich im Lande … weilte, kam jemand zu mir und berichtete von einem Mann, der ein Schiff im Meer verloren habe. Als das Schiff unterging, seien die ganze Besatzung und alle Ladung, die es enthielt, im Meer versunken. Der Schiffsherr habe einen Sohn gehabt, und auch dieser sei mitgefahren. Alle Menschen befiel nun tiefe Trauer über das Unglück, und man beklagte  den Mann (292) aufs höchste. Alle Einwohner der Stadt kamen zu ihm, als er sein Kleid zerriß und sich die Haare ausraufte, wobei seine Familie, aber auch andere ihn umringten. Dieser Mann war jedoch ein Heuchler und geschickter Betrüger, und der Sohn auf dem Schiff war sein einziger. Nachdem ich nun den Mann in solchem Zustand angetroffen hatte, sagte ich der ganzen Versammlung, (ich sah ja, wie sie ihn alle umstanden und bedauerten und beklagten, daß in dem untergegangenen Schiff mehr als einer ihrer Mitbürger gewesen sei, darunter Kinder, Verwandte und Brüder, dazu viele Güter) – ihnen also sagte ich: „Meiner Ansicht nach ist diesem Mann nicht zugestoßen, was ihr vorbringt. Mit Sicherheit wird er aus diesem Unglück unbeschadet hervorgehen. Jenes Gerücht wird sich bestimmt in Nichts auflösen und sein Besitz wird ihm vollkommen wiederhergestellt.“ Es dauerte auch nicht lang, bis ihn die Botschaft erreichte, <Schiff und Sohn> seien gerettet und unversehrt; auch wurde die erste Nachricht für falsch erklärt.

Natürlich hatte ich dies alles erschlossen, weil ich meine Augen auf ihn richtete, als er seine Lügen vortrug. Mochten auch seine Angst und seine Trauer stark aufgetragen sein, so weinte weder sein Auge wirklich, noch sträubten sich sein Haar oder die Augenbrauen. Ich erkannte aber, daß seine Gesichtshaut angespannt war, beobachtete auch sein Klagen, das dem Lachen näher stand, und weitere Auffälligkeiten, die ich nicht anführte, um nicht allzu ausführlich zu werden; ich kenne ja die beschränkte Fassungskraft eines Anfängers, und erwähnte nur, was ich unbedingt anführen mußte. Freilich: Eifrigen Adepten, die Verlangen nach ihr tragen und deren Auffassungskraft dafür genügt, erscheint ja die Wissenschaft nicht lang. Nur solche Toren verzweifeln an ihr, die nicht an sie glauben und nicht erkennen, welche Wahrheit sie bereithält.  Lebe wohl! 

Ende des Werkes über Physiognomik.