Übersetzungen

von Otto und Eva Schönberger

Anmerkungen


Pamprepios (?)

Pamprepios aus Panopolis in Oberägypten (geb. 440 n. Chr.) studierte in Alexandreia und wurde Grammatiklehrer und Dichter von Preisliedern. Um 470 wandte er sich nach Athen, trieb dort Philosophie und erhielt einen Lehrstuhl für Grammatik. Obschon überzeugter Heide befreundete er sich mit dem mächtigen Patricius und Mäzen Theagenes, einem Christen, auf den er ein Preisgedicht verfaßte (z.T. erhalten im gleichen Papyrus wie die vorstehende Idylle auf einen Tag im Spätherbst). Nach einem Streit mit Theagenes übersiedelte Pamprepios nach Konstantinopel, wo er politisch tätig wurde und ein abenteuerliches Leben führte, das ihm hohe Ämter einbrachte (Patricius; consul honorarius u.a.). Nach einer Palastintrige wurde er jedoch 484 erschlagen. Er verfaßte ein Werk über Etymologien und ein Epos über (vermutlich) den isaurischen Kaiser Zenon (beide verloren). Erhalten sind (neben drei kleinen Bruchstücken) im Wiener Papyrus Pap. Gr. Vindob. 297 88 A–C (5. Jahrhundert n. Chr.) sein Gedicht in Hexamtern auf die Tagzeiten im Spätherbst und das Enkomion auf Theagenes (um 465). Allerdings ist die Zuweisung der Autorschaft des Herbstgedichtes an Pamprepios nicht voll gesichert (u.a. Qualitätsunterschiede der beiden Werke).

Das Werk

Vorrede (1 – 6)

In einer Vorrede an das Publikum (in jambischen Trimetern) betont der Autor, daß durch die Kunst der Komposition der Geist des Dichters sowohl zu Besonnenheit wie auch zu kühnem Wagnis geführt wird, so daß er Tageszeiten und Tätigkeiten (Thema des Gedichtes) zu schildern vermag. – Solche Vorreden gehören zur spätantiken Epik und gehen auf die Vorreden (Prolaliai) der Rhetoren zur Gewinnung von Aufmerksamkeit und Verständnis der Hörer zurück.

Prolog (7 – 23)

Ein neues Lied über Gegensätze und Wechsel im Geschehen von Jahr und Tag. Auch der Dichter wechselt im Stil. Er singt sowohl rauschend-sturmvoll wie auch leicht und zierlich. Dem Stil entspricht das Thema: (Jahres- und) Tageszeiten, Sturm, Hitze, Regen, aber auch Nymphen, Menschen und Feste. Reaktionen auf Naturereignisse.

Die Jahreszeit (24 – 36)

Es folgt die im Papyrus kaum lesbare Schilderung der Jahreszeit, Spätherbst oder Frühwinter. Zur Datierung dienen Sternbilder, so die Pleiaden, deren Untergang (vor Sonnenaufgang!) in den Beginn unseres Novembers fällt und das Einsetzen des Regens, aber auch den Anfang der Feldbestellung anzeigt. Dann die Zwillinge, die nach den Pleiaden untergehen. Vielleicht ist auch das Sternbild des Drachen angeführt.

Vor Sonnenaufgang. Hagelsturm (37 – 68)

Beginn des Vegetationsjahres. Erst wird befruchtender Regen (mythisch) geschildert, der den Feldern Nutzen bringt Hagel ist sein Vorbote. Am frühesten Morgen beobachtet ein Hirte den Himmel, erkennt den drohenden Hagelsturm und treibt seine Herde in eine Art von Höhle. Der Hagel, vermischt mit Schnee, trifft Bäume mit ihren Nymphen. Eine Nymphe schüttelt ihr Haar und wirft welkes Laub nach allen Seiten. Eine andere nimmt mit beschädigten Ästen Schnee auf, der dann zu Wasser schmilzt, das dem Baum nützt und gern empfangen wird.

Sonnendurchbruch. Vormittag (69 – 109)

Die Sonne schmilzt den Schnee und verursacht Wasserströme. Scherzender, bukolischer Streit einer Baumnymphe mit einer Wassernymphe wegen zu vielem Wasser. Im Gespräch bekunden die Nymphen ihre Einsicht in den Nutzen des Regens.

Mittag. Nachmittag (111 – 145)

Auf den Tanz der (mythischen) Schneeflocken-Eroten am Himmel folgt das Demeter-Fest, die Hochzeit der Göttin mit Ares (der auch chthonische Wurzeln hatte). Das Fest stellt die eleusinischen Begehungen vor, die auf den Spätherbst fielen, Schmücken des Altars auf der Tenne mit Ährenbündeln, Opfer (das Tier geht willig hin, ein Glückszeichen), Fackeln. Der Mythos: König Keleos von Eleusis nahm die trauernde Demeter auf; Triptolemos, Urbild des Feldbaues, säte auf dem rarischen Feld bei Eleusis das erste Getreide und brachte es zur Tenne. Mit Hilfe des Drachenwagens verbreitete er den Ackerbau. – Ein Bauer vollzieht nun die Feldarbeit und pflügt mit seinen Tieren das Brachland (die Zähmung der Tiere hat vielleicht kultischen Hintergrund).

Arbeit Am Vorabend. Preislied Und Antwort (146 – 176)

Gegen Abend besorgt der Bauer Nebentätigkeiten, singt auch zum Erstlingsopfer der Ernte ein Lied auf Demeter und preist die eleusinischen Weihen. Dann wieder (wie anfangs, 41 f.) eine bukolische Szene: Eine Hirtin antwortet dem Preislied mit eigenem Gesang. Vielleicht enthält ihre anfängliche Verkleidung als Mann eine kultische Anspielung. Trankopfer für den Hirtengott Pan.

Sonnenuntergang. Abend. Gewitter (177 – 152)

Die Sonnenpferde tauchen im Westen hinab. Dünste verdunkeln den Himmel. Ein Gewitter bricht los und erschreckt ein Kleinkind und ein (fast) erwachsenes Mädchen. Die Erd-Natur hingegen erträgt gelassen das fruchtbringende Wetter (Demeters „Hochzeit“).

Epilog des Dichters (193 – 198)

Erneutes Werben um Wohlwollen und dann um Urlaub (wohl von Athen). Kyrene mit seinem Apollotempel ruft den Dichter. Kyrene wurde 321 v. Chr. von Ptolemaios I. Soter erobert. Die Libyschen (ägyptischen) Musen erinnern an Kallimachos, der in Alexandreia wirkte und in Kyrene geboren war.

Zum Ganzen: Pamprepios zeigt an einem einzigen Tag im Spätherbst das Geschehen in der Natur mit seinen starken Kräften, führt auch deren Wirkung auf das Leben der Menschen vor. Vieles ist beseelt von göttlich-natürlichen Wesen, und das in den Frühwinter fallende Fest der Göttin Demeter bildet den Mittelpunkt des Epyllions, das nicht nur bukolisch oder idyllisch ist, sondern heidnisch-religiös. „Hochbeglückt“ ist, wer in die Mysterien von Eleusis eingeweiht wurde. Das Heidentum stellt sich noch einmal in seiner mythenbildenden Weltfrömmigkeit dar.

Stil und Darstellung

Die Spätantike verwendete mythologische Themen und suchte die Sprache der Alten nachzuahmen; so auch Pamprepios. Er schließt sich sprachlich an Homer an und übernimmt Wörter und Wendungen (Vorbild wohl auch Ilias 8, 555). Bedeutender ist jedoch der Einfluß der hellenistischen Epyllien-Dichtung, das unverbundene Reihen von Bildern, die Gestaltung zierlich-intimer wie auch pathetischer Szenen. Hellenistisch sind weiter die bukolische Stimmung, die Nymphen, die flatternden Eroten. Anleihen entstammen auch dem Argonautenepos des Apollonios von Rhodos und Werken von Kallimachos (vgl. die Beschreibung des Sturmes, der Theseus auf dem Weg zu Hekale trifft). Auch Einfluß von Theokrit ist möglich (Thalysien).

Hauptvorbild war aber der Dichter Nonnos (Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr.), der den Zug des Dionysos nach Indien in 48 Büchern schilderte. Aus Homer und den hellenistischen Dichtern gewann er eine buntscheckige Phraseologie und prägte einen neuen Stil, der – auch in der strengen Metrik – in der sog. Nonnos-Schule bis ins 7. Jahrhundert fortwirkte. – Weitere Vorbilder weisen Gerstinger und Livrea nach.

Literatur

Ausgaben:

  • Pamprepios, Eidyllion über die Tageszeiten usw.; Pap. Gr. Vindob. 29788 A-C, her. von H. Gerstinger, Wien 1928.
  • Pamprepii Panopolitani Carmina, ed. H. Livrea, Leipzig 1979 (unsere Übersetzung folgt weitgehend dieser Ausgabe).
  • Heitsch, E., Die griechischen Dichterfragmente der römischen Kaiserzeit I, Göttingen 1963 (Nr. 39).
  • Pamprepios in: Page, D.L., Select Papyri III Literary papyri. Poetry (mit engl. Übersetzung). London 1962 u.ö., Nr. 140 (S. 560 – 587).


  • Asmus, R., Pamprepius, ein byzantinischer Gelehrter und Staatsmann des 5. Jahrhunderts, in: Byzantinische Zeitschrift 22, 1913, 320 – 347.
  • Gregoire, H., Au camp d´un Wallenstein byzantin, in: Bulletin de l`Association G. Budé 24, 1929, 22 – 38.
  • Keydell, R., Pamprepios, in: RE 18,3 (1949) 409 – 415.
  • Livrea, E., Pamprepio ed il Pap. Vindob. 29788, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 25, 1977, 121 -134.
  • Wifstrand, A., Von Kallimachos zu Nonnos, Lund 1933.