Übersetzungen

von Otto und Eva Schönberger

Anmerkungen


OCELLUS LUCANUS

Im Zeitalter des Hellenismus herrschte eine spürbare Sehnsucht nach neuem Glauben. Diesem Anliegen kam die pythagoreische Lehre entgegen, die sich in Unteritalien wohl in kleinen Zirkeln gehalten hatte und eine Mischung von Askese und Mystik darstellte, die dem alten Dualismus von Diesseits und Jenseits entsprach.

Im 2. Jahrhundert v. Chr. entstand nun unter dem Namen des Okellos, eines Pythagoreers, eine eher populäre Schrift über die Ewigkeit der Welt und die Pflichten des Menschen in ihr. Das „interessante Buch“ (Wilamowitz) war ursprünglich im dorischen Wissenschaftsdialekt verfaßt und verwendete die überall verbreitete philosophische Terminologie. Später wurde die Schrift in die sog. Koine (Gemeinsprache) übertragen. Ein vorangestellter gefälschter Briefwechsel Platons mit dem Pythagoreer Archytas diente zu besonderer Beglaubigung der Echtheit.

Der Verfasser bietet eine Art von Weltbuch, indem er auf pythagoreischer Grundlage und mit weitgehender Verwendung aristotelischer und einiger platonischer Gedanken dem Leser Aufbau, Substanz, Eigenschaften und (besonders) Ewigkeit von Universum und Menschheit vorführt und im Zusammenhang damit Mahnungen für das Leben in der Welt und hauptsächlich für Gattenwahl und Kindererziehung gibt. Das Werk war nicht sehr verbreitet und kam erst zur Kaiserzeit im Pythagoreismus der Neuplatoniker zur Geltung. Besonders geschätzt wurde es von Iamblichos. Erst in der Renaissance gelangte die Schrift (im 15. Jahrhundert) nach Italien und wurde dort verbreitet. Die Editio princeps gab Conrad Neobarius (Paris 1541) heraus.

AUSGABEN. ÜBERSETZUNGEN. LITERATUR.

Erstausgabe von C. Neobarius. Paris 1539. – Mit lateinischer Übersetzung von Chretien. Paris 1541. – Weitere Ausgaben von R. Lonaeus. Löwen 1554; L. Nogarola (gr. und lat.) Venedig 1559; Commelin 1596. Kommentierte Ausgabe von C. E. Vizzanius. Bologna 1646. Text von Th. Gale. Cambridge 1670. – Eine Textausgabe mit französischer Übersetzung und philosophischem Kommentar gab Marquis d‘Argens heraus, Berlin 1762. Es folgten die Ausgabe von H.W. Rothermund mit Anmerkungen und griechisch-deutschem Wortregister. Leipzig 1794 und die kommentierte Ausgabe von A. Fr. Rudolph. Leipzig 1801. Ins Deutsche übersetzt wurde Ocellus, Über die Welt, von J.G. Schulthess. 1781. In: Bibliothek der griechischen Philosophen, A. Scriptores philosophi, ebenfalls von W. H. Bardili. In: G.G. Fühleborn, Beiträge zur Geschichte der Philosophie. 10. Stück, Jena 1799, 2 – 34. – Es folgte die Übersetzung von R. Taylor. London 1831 (Nachdruck Palata Press). – Griechischer Text mit lateinischer Übersetzung von A. Mullach. In: Aristoteles, De Melisso etc. Berlin 1845 (auch bei Mullach, Fragmenta philosophorum Graecorum I. Paris 1875). – Griechischer Text und Kommentar von R. Harder. Berlin 1926 (Nachdruck Dublin 1966).

Literaturhinweise: H. Theslaff. An Introduction to the Pythagorean Writings of the Hellenistic Period. In: Acta Acad. Aboensis. Human. 24.3. 1961. – W. Burkert. Weisheit und Wissenschaft. Nürnberg 1962. – W. Burkert. Hellenistische Pseudopythagorica. Philologus. 105. 1961. 16f.; 226 f.