Übersetzungen

von Otto und Eva Schönberger

Anmerkungen


Libanios

Unter Kaiser Hadrian setzte eine literarische Bewegung gegen den klassizistischen Attizismus-Stil ein, die sogenannte Zweite Sophistik, die besonders in der rhetorischen Jugendbildung erfolgreich war. Dion Chrysostomus (gest. 120 n. Chr.), Aelius Aristeides (gest. 189 n. Chr.), Philostratos (um 200) waren hoch geehrte und oft üppig besoldete Vertreter dieser Richtung. Eine Nachblüte erfolgte unter Kaiser Iulianus (gest. 363), der selbst literarisch tätig war und den berühmten syrischen Redelehrer Libanios (314 – 393) von Antiochia hoch schätzte.

Von Libanios sind zahlreiche Reden, Vorübungen und Briefe erhalten. Bemerkenswert sind zwei seiner Reden, die Persönlichkeit und Wirken des Kaisers Iulianus feiern, verbunden mit starken Ausfällen gegen das Christentum. Die letzte Rede im Corpus seiner Werke trägt die Zahl 64, richtet sich an Aelius Aristeides und soll die Pantomimentänzer gegen dessen Anwürfe verteidigen (die Rede des Aristeides lag freilich fast 200 Jahre zurück).

Die Pantomimen führten dem Publikum als „Tänzer“ in Masken und Kostümen ohne Hilfe der Stimme die Welt der Mythen und der Historie vor. Sie waren im ganzen römischen Reich beliebt und genossen höheres Ansehen als die Mimen, die Verse vortrugen und agierten. Ein Pantomime tanzte eine Geschichte zwar stumm vor, doch ergänzte ihn ein Chor, der das Ereignis untermalte und kommentierte und oft von einem Orchester begleitet wurde.

Libanios selbst war kein großer Freund der Tänzer, doch reizte es ihn, gegen Aristeides, sein beneidetes Vorbild, in die Schranken zu treten. Er will zeigen, dass Aristeides die Pantomimen zu Unrecht tadelte, führt die Aussagen des Rhetors einzeln an und widerlegt sie. So gibt die Rede einen Einblick in Praxis und Themen der Pantomimen-Auftritte.

Aufbau der Rede

Einleitung (1 – 5). 1 – 3: Pflicht, Verleumdeten beizustehen. 4 – 5: Libanios verehrt Aristeides. Auch sein Einspruch dient dessen Ehrung.

Tanz gab es seit jeher (6 – 18). 6 – 9: Erstes Argument gegen die Tänzer: Im alten Sparta war Tanz nicht üblich. 10 – 11: Warnung vor Redepraktiken des Aristeides (Vermischung von Mimen und Pantomimen). 12 – 15: Mythen und Dichter loben den Tanz. 16 – 18: Edle Städte und Menschen pflegten seit jeher den Tanz.

Der heutige Tanz ist Ergebnis des Fortschrittes (19 – 30). 19 – 22: Die heutige Tanzkunst ist Ergebnis eines Fortschrittes und verdient Anerkennung. 23 – 26: Fortschritt kann nicht zum Vorwurf gemacht werden. 27 – 30: Dies gilt auch für die Tanzkunst.

Die heutigen Tänzer sind nicht verdorben (31 – 49). 31 – 36: Aristeides verleumdet die Tänzer als Verbrecher. 37 – 39: Diese Anklage fordert einen Beweis. 40 – 41: Beispiele sittenreiner Tänzer. 42 – 44: Gute Sitte hängt nicht vom Beruf ab. 45 – 49: Umstände verderben eine gute Natur nicht.

Die Tänzer verderben die Zuschauer nicht (50 – 64). 50 – 56: Haartracht, Kleidung und Rolle schädigen den Charakter der Tänzer nicht. 57 – 61: Die Vorführungen wirken nicht zwangsläufig verderblich. 62 – 64: Auch Gesten und Winke der Tänzer sind moralisch unschädlich.

Auch Frauenrollen sind unschädlich (65 – 75). 65 – 69: Darstellung von Männern und Frauen im Tanz. 70 – 72: Die Verschiedenheit der Geschlechter ist belanglos für das Urteil über den Tanz. 73 – 75: Aristeides verwirft Frauenrollen.

Zum Beweis der Unschädlichkeit dienen verdiente Herrscher und Bürger (76 – 86). 76 – 78: Dem Tanz geneigte Männer waren deshalb nicht schlechtere Herrscher. 79 – 82: Redner, Politiker und Aristeides selbst beweisen die Unschädlichkeit des Tanzes. 83 – 86: Die Tänzer verdarben die Städte nicht.

Auch Chorlieder und Tanzschuhe schaden nicht (87 – 98). 87 – 90: Den Tanz begleitende Lieder schaden der Seele nicht. 91 – 92: Die Texte wirken sogar wohltätig. 93 – 94: Auch Aristeides hört sie, wie alle. 95 – 98: Unsinniger Vorwurf wegen des Klapperns der Tanzschuhe.

Ethisch-ästhetische Wirkung der Tanzkunst (99 – 118). 99 – 102: Tanzvorstellungen soll man im rechten Alter besuchen. 103 – 105: Mühevolle Ausbildung der Tänzer. 106 – 107: Deren Zurückhaltung in Essen und Trinken. 108 – 115: Erzieherische Wirkung von Dichtern und Tänzern (prodesse). 116 – 118: Ästhetischer Nutzen der Tänzer (delectare).

Höchste Wirkung eines Tänzers (119 – 120). 119: Tanzvorführungen erzeugen Frieden. 120: Ein Tänzer erreichte das höchste Ziel, die Rettung der Heimat.

Sprache und Stil

Übermäßig gedankenreich ist das Werk nicht. Der Rhetor hält sich sprachlich vom sonst üblichen reimartigen Ton der Zweiten Sophistik fern, fällt jedoch in eine pedantisch archaisierende Redeweise, für die er sich besonders bei Demosthenes und Thukydides (aber auch aus alten Lexika) die Versatzstücke holt. Mag seine Rede auch attisch-korrekt sein, klar und deutlich ist sie nicht, eher schon steif und umständlich. Die Übersetzung muss den Text mehrfach „transzendieren“, bildet überhaupt eher eine (auch wohl fehlerhafte) Annäherung (die Arbeit von Molloy konnte nicht beigezogen werden). – Einzelerklärungen sind nicht beigefügt.

Text

Libanii Opera. Rec. Rich. Foerster. Vol.IV. Oratio LXIV. Leipzig 1908.

Literaturhinweis

  • Heinz-Günther Nesselrath, Libanios. Zeuge einer schwindenden Welt. Stuttgart 2012.
  • Raffaella Cribiore, The School of Libanios in Late Antiquity Antioch. 2007. 2016.
  • Margaret Molloy, Libanius and the Dancers. Hildesheim 1996.