Übersetzungen

von Otto und Eva Schönberger

Inhalt und Gehalt


Prolog. Einzugslied des Chors

Euripides läßt den Prolog durch den Gott Dionysos vortragen. Dieser wurde geboren, als die Kadmos-Tochter Semele ihren Liebhaber Zeus sehen wollte. Dessen Feuergestalt tötete Semele. Zeus barg den ungeborenen Göttersohn in seinem Schenkel und trug ihn aus. Dionysos weilt nun in Theben beim Palast, wo Hera aus Groll immer noch die Feuerflamme von einst schwelen läßt (10). Der fromme Kadmos jedoch machte den Ort zum Heiligtum, und daher läßt Dionysos hier den von ihm geschaffenen Wein sprießen.

Der Gott schildert seinen Eroberungszug von Kleinasien bis nach Theben, wo er zuerst in Hellas erscheint. Er führt seinen Kult ein, obschon die Schwestern Semeles (wohl aus Eifersucht wegen des göttlichen Liebhabers) behaupten, die Zeus-Geschichte habe Kadmos erfunden (30), um den Fehltritt seiner Tochter zu beschönigen. Erst die Schwestern, dann alle Frauen Thebens hat Bakchos daher verwirrt und ins Gebirge geführt. Theben muß nun lernen, daß Dionysos ein Gott ist und was sein Kult bedeutet. Widerstand will Dionysos niederwerfen und ruft sein Gefolge herbei (55f.).

Einzugslied

Der Chor singt das Lob der bakchischen Religion (64f.). Selig ist, wer die Riten von Dionysos und Kybele befolgt. Dionysos ist der Sohn des Zeus, der ihn austrug (Inhalt des Kultes). Theben soll den Gott verehren (Anhänger des Kultes). Pauken, Tanz, Flöten begleiten den Kult (Form des Kultes). Beglückung der Gläubigen.

1. Akt. 1. Standlied des Chors

Zwei Anhänger des Dionysos treten auf, Teiresias und Kadmos. Dieser verehrt Dionysos, weil er sich als Gott offenbarte (182), wie auch weil er der Sohn seiner Tochter Semele ist. Teiresias hängt dem Väterglauben an, lehnt klügelnde „Aufklärung“ ab und verficht mit Kadmos das Recht des Glaubens (201f.).

Nun tritt die Gegenseite auf (214f.), Pentheus, dem Kadmos bereits die Herrschaft übergab. Pentheus ist ein engstirniger Machthaber. Er „greift“ brutal „durch“, kerkert die Bakchantinnen ein, ist wohl auch ein Weiberfeind. Aus den Gerüchten über Dionysos leitet er ab, dieser sei kein Gott, und die Sage von der Vaterschaft des Zeus versteht er als Erfindung (242).

Teiresias verteidigt die Dionysische Religion (266f.): Dionysos und Demeter sind die Grund-Gottheiten des Lebens. Ihre Wohltaten sind groß, und der Mythos vom Bein des Zeus (286f.) beweise, daß Dionysos ein Göttersohn sei. Es folgen weitere „Tugenden“ (Aretai) des Gottes, also eine Darstellung der Bakchos-Religion. Teiresias schildert eine urtümlich-agrarische Religion, zu der die wilde Rache des Gottes Dionysos paßt.

Der Chor, hier die nicht eingesperrte Hälfte, warnt Pentheus (236f.); ihm folgen Kadmos und Teiresias (330; 358).

Das 1. Standlied des Chors schildert (A) die Hybris des Pentheus und (Ab) deren schlimme Folgen. Die Gegenstrophe (B) zeigt Sehnsucht nach Liebe, Wohlstand, Führung des Gottes und (Bb) den Wunsch nach Frieden, gottgefälligem Leben, Dasein im Maß.

Zweiter Akt. 2. Standlied

Der erste Hauptteil ist beendet: Kraft und Gegenkraft sind angetreten (1–431). Beide Mächte treten nun in einem Streitgespräch auf. Pentheus erkennt Bakchos nicht an. Der Gott warnt ihn vergeblich (515f.). Der Chor bespricht die Lage (519f.; 2. Standlied): Theben vertreibt Dionysos und könnte doch von ihm beglückt werden wie Pierien am Lydias-Fluß.

Dritter Akt. 3. Standlied

Der beleidigte Gott schlägt zurück. Die Rache beginnt (576f.). Bakchos erschüttert den Palast des Königs. Die eingesperrten Bakchantinnen kommen frei. Dionysos täuscht Pentheus und versetzt ihn in Wut (610f.). Allerdings ist dies nur ein Vorspiel; der Gott übt seine Macht nicht voll aus. Es folgt der Bericht des Boten, der zur großen Rache hinführt:

Die Bakchen leben in friedlicher Idylle (689f.). Ein halb-städtischer Hirt, ein Pentheus im Kleinen, stört den Frieden, legt sich auf die Lauer (wie später sein Herr) und will Agaue, die Mutter des Pentheus, fangen. So entsteht der Casus belli, bei dem außer Agaue die Schwestern des Pentheus führend tätig sind (680f.). Durch Agaue (und Bakchos) aufgeregt werden die friedlichen Frauen zu wilden Furien, die Tiere zerreißen und Dörfer überfallen (751f.), aus denen wohl die angreifenden Hirten stammen. So büßen alle Beteiligten. Der Kampf trägt gespenstische Züge (758f.); am Ende kehren die Frauen zum Kithairon zurück. Der Bote rät Pentheus, Dionysos anzuerkennen (769).

Der durch den Botenbericht unterbrochene Dialog der beiden Gegner wird steigernd fortgesetzt; Pentheus erhält eine letzte Gelegenheit zur Umkehr (769); der Chor rät dazu (bes. 802). Da Pentheus nicht nachgibt, setzt nun der große Rache-Trug des Gottes ein. Dieser beginnt mit einem hintergründigen, die Handlung begleitenden Dialog.

Der Chor bespricht (3. Standlied, 862f.) das Geschehen. Er hofft auf Rettung und Sieg der Bakchos-Religion. Götter bestrafen Frevler. Selig ist, wer stets in gutem Glück lebt. Man muß sich an die überkommenen Bräuche halten und das Göttliche verehren. Ein Sieg im Menschenleben wird sehr hart beschrieben, doch entspricht dies dem Wesen des Bakchos, der als mild (861), aber auch schrecklich dargestellt wird.

Vierter Akt. 4. Standlied

Nun beginnt die volle Rache. Pentheus ist sinnverwirrt (918f.) und läßt sich vom vermeintlichen Helfer verkleiden. Das Einkleiden folgt der früher (695) geschilderten Toilette der Mainaden. Im Dialog von Pentheus und Dionysos entfaltet sich die verblendete Eitelkeit des Machthabers, der sogar den verhaßten Kithaironberg hochreißen will (949f.). Am Ende deutet Dionysos brutal-ironisch den Tod des Königs durch seine Mutter an (966).

Im 4. Standlied (977f.) ruft der befreite Chor der Bakchanten zur Rache auf. Die Frauen auf dem Berg sollen Pentheus, der ihnen als Löwe vorkommt, töten. Klugheit möge, recht geübt, gut sein. Besser ist es, stets gerecht und fromm zu leben. Es scheint, daß auch Euripides wenigstens ein Gleichgewicht im persönlichen und staatlichen Leben vorzieht (vgl. auch 1150).

Fünfter Akt. 5. Standlied

Der 5. Akt (1024f.) bringt im Botenbericht den Vollzug der Rache des Gottes. Pentheus wird von Bakchos in eine Falle geführt und getötet. Die Bakchen rasen (1094), allen voran die Mutter Agaue. Euripdes hebt hervor, daß auch die Schwestern der Agaue an der Tötung mitwirken (1129), Mitschuldige, weil sie Zeus und Dionysos mit ihrer Geburtsgeschichte verleumdeten. Auch der Bote endet mit einer Mahnung zur Ehrfurcht vor den Göttern, die höchste Weisheit bedeute (1150). Übrigens scheint Pentheus im Tode seinen Fehler erkannt und bereut zu haben; mit der Mitra reißt er den Wahn von sich ab (117; vgl. 833).

Im 5. Standlied jubelt der Mainaden-Chor barbarisch (1034) über das Unglück von Pentheus und Agaue.

Den Schluß der Tragödie leitet das Zusammentreffen der triumphierenden Agaue mit dem Chor ein. Der fast wahnhafte Dialog verläuft in wirrem Wechsel, wobei unklar ist, ob der Chor schon sieht, daß Agaue das Haupt des Pentheus trägt (1168). Bescheiden entsagt er der Teilnahme am Festmahl (1184) und bestätigt auch (wohl ohne Doppelsinn) die Worte der Agaue. Erst in Vers 1200 scheint er den Wahn zu durchschauen.

Es folgt die Entdeckung des Unheils. Kadmos klärt Agaue über ihre Untat auf. Die Folgen der Rache zerstreuen die ganze Kadmos-Familie. Kadmos klagt rührend (1301f.), betont aber, man dürfe den Göttern nicht trotzen. Der Chor stimmt zu (1325f.).

Am Ende erscheint Dionysos und verkündet die Folgen der Mißachtung. Er erhört auch nachträgliche Bitten um Vergebung nicht. Zeus selbst (der durch die Umdeutung des Semele-Mythos gekränkt war) billigte das Vorgehen des Bakchos. Als Strafe für die Sippe folgt die Trennung der Familie. Kadmos beklagt sein Los und die lange Not, die ihn erwartet. Agaue verabschiedet sich und geht mit ihren Schwestern in ein nicht genanntes Land. Damit schließt das Drama „Die Bakchen“ des Euripides, eine „Tragödie göttlicher Rache“.